Trainerwechsel bei Stellantis?
Gemäss “Bloomberg” sucht Stellantis-Vorsitzender und Agnelli-Erbe John Elkann einen neuen Stellantis-CEO. Der Vertrag von Carlos Tavares läuft 2026 aus. Im Sport wie auch in der Automobilbranche gibt es keinen Platz für Misserfolg.
Wenn es im Fussball mal nicht läuft, ist es üblich, dass der Trainer geschasst wird. Dieses Prinzip scheint nun auch in der Wirtschaft angekommen zu sein. Stellantis-Boss John Elkann löst mit der Aussage, einen Nachfolger für Carlos Tavares zu suchen, eine Eruption beim kriselnden Unternehmen aus.
Carlos Tavares wurde im Januar 2021 zum CEO von Stellantis ernannt, als Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und Peugeot Société Anonyme (PSA) fusionierten und zum viertgrössten Automobilhersteller der Welt wurden. Momentan läuft es nicht rund für Stellantis. Der Nettogewinn des Automobilkonzerns ist im ersten Halbjahr 2024 um 48 Prozent eingebrochen. Geringe Verkaufszahlen, besonders in den USA mit einem Minus von rund 16 Prozent, kommen da aktuell sehr ungelegen.
Druck steigt
Zwar sei die Suche angesichts des 2026 auslaufenden Vertrags von Tavares ein „ganz normaler“ Vorgang, doch der Zeitpunkt scheint nicht zufällig gewählt. Obwohl man sich auch in Gesprächen über die Vertragsverlängerung mit dem 66-jährigen Portugiesen befinde, steigt der Druck auf den 14-Marken-Automobilkonzern derzeit enorm.
Keine Lösung für Probleme
Auch wenn es naheliegend scheint, dass sich Stellantis von Tavares trennen möchte, würden sich die Probleme damit nicht in Luft auflösen. Stellantis besitzt derzeit 14 Automarken, von denen alle mindestens bis Ende des Jahrzehnts unter dem Unternehmensdach bleiben sollen; so das kürzlich bekräftigte Treuebekenntnis.
Vielleicht ist gerade der eherne Verbund der grosse Knackpunkt? Wieso hält man an kränkelnden Marken fest, ohne eine klare Vision zu haben, wie man wieder profitabel wird? Tavares ist eigentlich als rationaler Entscheider bekannt. „Wenn sie kein Geld verdienen, werden wir sie schliessen. Wir können es uns nicht leisten, Marken zu haben, die keinen Gewinn bringen.“ So die klaren Worte des CEO.
Das sind die Sorgenkinder:
Die grössten Sorgenkinder der Stellantis-Familie sind DS Automobiles, Lancia, Chrysler und vor allem Maserati. Die Verkäufe gingen im ersten Halbjahr um mehr als die Hälfte zurück. Etwas verwunderlich für uns Aussenstehende ist, dass Tavares dafür ineffizientes Marketing verantwortlich macht: „Wenn der Absatz derzeit stockt, liegt das am Marketing. Wir haben viel in Bezug auf Qualität verbessert, aber jetzt müssen wir am Marketing arbeiten. Uns fehlen Kundenanfragen und potenzielle Käufer. Wir müssen die richtigen Kunden ansprechen und die richtige Botschaft vermitteln.“ Naja, vielleicht fährt man mit der Elektrostrategie einfach am Kundenwunsch vorbei.
Nachlassende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen
Die Maserati Folgore-Modelle kommen zur falschen Zeit. Die nachlassende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen trifft auch Stellantis hart. Dass die Premiummarken wie Mercedes und Audi auf ihren Stecker-Fahrzeugen sitzen bleiben, kann man noch mit unglücklichen Modell-Segmenten erklären. Dass jedoch die Kleinwagen-Produktion des elektrischen Fiat 500 sogar für vier Wochen ausgesetzt werden musste, klingt alarmierend.
Während die günstigen Stromer à la Citroën e-C3 und Fiat Grande Panda erst noch kommen, will man beim ikonischen 500er wieder einen Verbrenner (okay, ein Hybrid) implantieren. Die Entscheidung, den Fiat 500 nur noch elektrisch anbieten zu wollen, kam definitiv zu früh und kann getrost als Eigentor bezeichnet werden.
Ein schwieriger Job
Sollte Tavares bei Stellantis weitermachen wollen und dürfen, wird ihm die Arbeit sicher nicht ausgehen. Zunächst muss er die Obrigkeiten davon überzeugen, dass er weiterhin der Richtige für den Job ist. Zum anderen muss er seine Agenda kompromisslos durchziehen dürfen – auch wenn man sich hierfür schweren Herzens von der einen oder anderen Traditionsmarke trennen muss.
Text: GAT
Bilder: Stellantis