Motorsport: Skoda Fabia R5 EVO

Das Rallye-Wunderkind und der neuen Fabia R5 Evo

Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Mit dem WRC2-Titel in der Tasche zieht Skoda das Motorsport-Werksteam zurück. Stattdessen konzentriert man sich auf den Kundensport. Auf der Speisekarte? Ein Fabia R5 Evo. Rallye-Wunderkind Kalle Rovanperä bewies uns, was in dem Boliden steckt.

Veröffentlicht am 22.01.2020

Rosovice, im Herzen Böhmens. In seiner Heimat startet der Skoda Fabia R5 Evo zum letzten Testgalopp. Danach wird er seine Karriere nur noch in den Händen von Privatfahrern fortsetzen. Seit ihrem Auftritt im April 2015 hat der tschechische Bolide alles erobert – auch die Schweiz. Ivan Ballinari feierte am Steuer des Tschechen zwei Schweizer Meistertitel in Folge, Kalle Rovanperä gewann 2019 im Alter von zarten 19 Jahren die WRC2. 

Und im Vorzimmer zur Weltmeisterschaft muss sich die Klasse R5 gegen die WRCs nicht verstecken. Haupt-unterschiede sind die um rund 100 PS geringere Leistung des Motors – 300 gegenüber 400 PS – und das Fehlen eines Mittendifferenzials. Ansonsten ist der Skoda Fabia R5 Evo für alle Geländeformen gerüstet. Der Tscheche ist wie die S2000-Klasse, die er ersetzt, mit Allradantrieb ausgestattet und bietet eine wesentlich grössere Vielseitigkeit. Davon konnten wir uns bei einer Wertungsprüfung in den tschechischen Wäldern auf gebrochenem Asphalt, Kies und Schotter überzeugen. Hinterm Lenkrad der Meister himself: Kalle Rovanperä, einer der jungen Wilden und Favorit auf den WM-Titel, der nach Skodas Rückzug 2020 bei Toyota angedockt hat.

Bohemian Rapsody

Plötzlich geht alles sehr schnell. Ein Mechaniker von Skoda-Motorsport gibt mir Balaklava und Helm, während der Fabia im Zeitlupentempo auf mich zu-rollt. Über den Überrollbügel winde ich mich auf den Sitz des Co-Piloten und hocke fast auf dem Fahrzeugboden. Sicht nach vorn? Mit der Nasenspitze in Höhe des Cockpits. Das Gurtzeug ist fest verzurrt, und schon schaltet Kalle in den ersten Gang des sequenziellen Getriebes.

Der Motor heult los, dreht bis in den roten Bereich, und plötzlich bricht die Hölle los. Das Auto reisst sich los, und mir scheint das Blut aus den Füssen in den Kopf zu schiessen. Kaum vom ersten Schock erholt, fliegen wir förmlich mit hoher Geschwindigkeit über die kurzen Bodenwellen. Der kleine Allradler brüllt wie ein Grosser, rutscht, klammert sich an die Spurrillen und dreht sich herrlich in die nächste Kurve rein.

Die Traktion ist gigantisch. Plötzlich fühlt es sich an, als wäre man auf einer Rennstrecke. Kalle beweist Coolness und lässt den Fabia auf die Haarnadelkurve zufliegen. Das Fussballett beginnt, und der Meister ruft seine brillante Beherrschung der finnischen Methode ab. Ruf, Gegenruf, linker und rechter Fuß hintereinander auf die Pedale, und los geht's. Dazu ein kurzer, aber heftiger Zug am Handbremshebel, und der Skoda marschiert mit beunruhigender Leichtigkeit im Drift um die Kurve. Der Motor heult, und Kalle haut die Gänge wie aus der Maschinenpistole rein. Nur mein Herzschlag hält mit dem wilden Tempo des Finnen jetzt noch mit.

 

Tandem-Erfolg

Kurz, aber intensiv ist die Demonstration. Mir wird schlecht, wenn ich daran denke, dem Finnen jetzt auch noch aus dem Gebetsbuch den Weg weisen  zu müssen – und das meist 20 Minuten und mehr.

Zurück im Fahrerlager, entlässt mich Rovanperä mit einem schelmischen Grinsen. Skoda-Chefingenieur Eric Mommey macht mir klar: «Es ist der Mix aus dem Können von Pilot und Co-Pilot, der über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Rund 50 Prozent davon liegen in den Händen des Fahrers. Im Gegensatz zu den Rundstreckenrennen machen wir nur sehr wenige Tests auf Simulatoren. Die Bedingungen einer Rallye sind einfach zu vielfältig und wechseln von einer Sekunde auf die andere. Wir können die Wahl der Reifen, die Fahrwerkseinstellungen, die Differenziale und die Gewichtsverteilung beeinflussen. Letztendlich macht der Fahrer den Unterschied aus.»

Für die WRC2 führte Skoda Motorsport umfangreiche Tests auf Strassen durch, die den Bedingungen einer jeden Rallye möglichst nahekommen – sei es zur Feinabstimmung des Autos oder um wertvolle Trainingskilometer für die Fahrer zu sammeln. «So können wir alle Daten von FIA-zugelassenen Sensoren sammeln, was während einer Rallye verboten ist», sagt Eric Mommey. 

Gemäss FIA-Reglement muss ein Auto der R5-Klasse mindestens 1230 Kilogramm wiegen. Der Fabia ist leichter. Ergo kriegt er eine 100 Kilogramm schwere Metallplatte, von den Fahrern «Schlitten» genannt, als doppelten Boden untergeschnallt. Nebst der Senkung des Schwerpunkts macht sie das Auto widerstandsfähig gegen die beeindruckendsten Sprünge.

Das Getriebe ist auf die Wahl von zwei Übersetzungssätzen beschränkt, im Gegensatz zu den drei Einstellungen, die für das vordere und hintere Differenzial vorgeschrieben sind. Einzig in die Fahrzeuggeometrie und in das Set-up können die Mechaniker eingreifen. Natürlich nur, wenn sie keine Behelfsreparaturen vornehmen müssen oder den kleinen Tschechen von Schlamm, Schnee oder Kies befreien müssen. Allein davon können im Laufe eines Rallystages bis zu 80 Kilogramm zusammenkommen.


Zahlen des Erfolgs

Skoda-Motorsport hat nicht die Absicht, den Erfolg des Fabia R5, der sich seit Einführung mehr als 320- mal verkauft hat, zu stoppen. Trotz der kürzlichen Ankunft seines Cousins im Rallyesport, dem VW Polo R5, hat die Evo-Version der Tschechen von zahlreichen Verbesserungen wie der Wasserpumpe, des Kühlsystems sowie des Turbos, des Motormanagements, der Federung und der Sicherheitsausrüstung profitiert. Die ersten 40 ausgelieferten Exemplare haben im vergangenen Jahr bewiesen, dass der Fabia von Beginn an konkurrenzfähig war.

23 Titel in ganz Europa schmücken sein Palmares. Und das ist nicht nichts!

Text: Gilles Rossel / Fotos: Skoda

Skoda Fabia R5 Evo

Reihenvierzylinder, Turbo-Benziner, 1620 cm3, 221 kW/300 PS,
425 Nm, sequenzielles 5-Gang-Getriebe, Allrad, Spitze 200 km/h,
0,6 l/km (Rallyestage), Tank 82,5 l,
Bremsen: Ø v./h.: 355 (Asphalt)/
350 mm (Kies/Sand), Felgen: 18 Zoll (Asphalt), 15 Zoll (Kies/Sand), L/H: 3994/1820 mm, Mindestgewicht: 1230 kg.

Preis: rund 250 000 Franken

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