

Der kleine Lord und sein Team
Vor 50 Jahren gewann James Hunt im Hesketh den GP der Niederlande – der einzige Formel-1-Sieg eines Teams ohne Sponsoren. 2025 jährt sich dieser legendäre Aussenseitersieg.
Es gab eine Zeit, in der die Formel 1 noch nicht vollständig kommerzialisiert war. Als Wagemut, Wahnsinn und Whiskeyflaschen noch genauso wichtig waren wie Aerodynamik-Daten. In dieser Nische, irgendwo zwischen britischen Hochadel und Guerilla-Team, platzierte sich Anfang der 1970er-Jahre ein Mann, der alles am modernen Rennsport zutiefst suspekt fand – ausser dem Rennen selbst. Sein Name: Lord Thomas Alexander Fermor-Hesketh, 3. Baron Hesketh.
Der junge Adelige, Oxford-Abbrecher, aber bestens situiert, gründete 1972 sein eigenes Rennteam – mit 20 Jahren. Erst in der Formel 3, später, fast schon trotzig, direkt am grossen Spieltisch in der Formel 1. Ohne Sponsoren, ohne wirtschaftlichen Masterplan, aber mit einer klaren Vision: dem Zirkus mit Anstand und Anarchie entgegentreten. Hesketh Racing war das Gegenteil eines Konzernteams. Kein springendes Pferd auf gelbem Hintergrund, kein Marlboro-Rot, kein Shell-Gelb – sondern ein Teddybär mit Helm als Logo. Kein Scherz: Der behelmte Bär mit Union Jack war das offizielle Wappentier des Teams und prangte stolz auf den Wagen. Eigenen Angaben zufolge entdeckte Lord Hesketh im Zimmer einer Prostituierten eine Postkarte mit einem Teddy. Kurzentschlossen malte er diesem einen Helm auf – das Logo war geboren.

Perfektes Chaos
Heskeths Formel-1-Team war eine fahrende Adelsrebellion: Statt Medienrunden gab es Champagner-Empfänge, statt Fahrerbesprechungen nach Trainingssessions wurde Whiskey serviert. Der Teamtruck war ein zum rollenden Salon umgebauter Doppeldeckerbus samt Kronleuchter. Die Mechaniker trugen Massanzüge – und mittendrin ein junger James Hunt, dem das Chaos ebenso schmeichelte wie die freie Minibar. Hunt war schnell, wild, der Monogamie abgeneigt und für ein gewöhnliches Rennteam kaum tragbar. Perfekt also für Hesketh.
Trotz aller Exzentrik arbeitete hinter den Kulissen ein kleines, hocheffizientes Team um Chefingenieur Harvey Postlethwaite, das technische Exzellenz mit antiautoritärem Stil verband. Der Lohn: Sieg beim Grossen Preis der Niederlande 1975 in Zandvoort – ein Triumph gegen alle Regeln der Vernunft, gefeiert mit Seidentüchern, Zigarren und der Gewissheit, Motorsportgeschichte geschrieben zu haben. Es war der letzte Sieg eines Formel-1-Teams ohne Sponsorenlogo.
Doch jede Party endet irgendwann. Ohne externe Geldgeber versiegte Heskeths Privatvermögen bald. Die Formel 1 wurde professioneller, wirtschaftlicher und technologischer. 1976 zog sich das Team zurück, James Hunt wechselte zu McLaren – und wurde im selben Jahr Weltmeister. Was von Hesketh Racing blieb, war der Mythos, den biederen Platzhirschen wie Ferrari wenigstens einmal die Champagnerkorken um die Ohren geschleudert zu haben.
Lord Hesketh selbst wechselte später in die Politik, wurde – irgendwie – unter Margaret Thatcher sogar Wirtschaftsminister. Aus dem Dandy wurde ein Funktionär, die wilden Zeiten stets in Erinnerung – als Symbol einer Ära, in der ein bisschen Wahnsinn noch erlaubt war.
Auf die Frage, was sein Team von den anderen unterschied, antwortete der Lord in seiner typischen Art: „Wir waren die einzigen, die nicht behaupteten, wir täten das, um die Welt zu verbessern.“ Ein Satz, so treffend wie ein Teddybär mit Helm.
Text: GAT
Fotos: Hesketh