Die erste Autobahn der Welt wird 100
Es ist ein Mythos, dass die Deutschen die Autobahn erfunden haben. Es waren die Italiener. Die erste Autobahn für den öffentlichen Verkehr feiert dieses Jahr das 100-jährige Jubiläum. Es ist die Autostrada dei Laghi, heute bekannt als A8.
Wer dieses Jahr über Italiens Autobahn fuhr, dem sind vielleicht die Geburtstagsgrüsse auf den digitalen Anzeigetafeln entlang der Autobahn nicht entgangen. Mit «1924-2024 cento anni di autostrade», zu deutsch «1924 - 2024 Hundert Jahre Autobahn», feiert die Mutter aller Autobahnen den 100. Geburtstag. Die Autostrada dei Laghi befindet sich im Norden Italiens und ist heute besser bekannt als A8. Am 21. September 1924 wurde der Teilabschnitt Milano-Varese von Vittorio Emanuele III., dem damaligen König Italiens, eingeweiht.
Nicht öffentliche Autobahnen
Wer jetzt einwenden will, dass mit dem Long Island Motor Parkway bereits in New York eine Autobahn existierte und es in Berlin schon die AVUS gab, dem sei erklärt, dass diese nicht für den öffentlichen Verkehr zugänglich waren und nur für Autorennen oder private Anlässe genutzt wurden. Somit geht der Titel «erste Autobahn der Welt» nach Italien. Federführend für die Entstehung der Autobahn war der italienische Ingenieur Piero Puricelli, der sich bereits 1922 für das Projekt «Autodromo di Monza» verantwortlich zeichnete.
Fortschritt, Modernität, Macht
Der Strassenabschnitt zwischen Milano und Varese sollte als nationale Leistung verstanden werden, die "Fortschritt, Modernität, Macht und nationale Grösse“ symbolisiert. Die erste Autobahn der Welt besass zunächst nur eine Fahrspur pro Richtung, die zwischen 11 und 14 Metern breit war. Die Strasse bestand aus einer rund 20 Zentimeter dicken Betondecke, die nahezu kerzengerade war, mit einer maximalen Steigung von drei Prozent.
Für den Bau waren viertausend Bauarbeiter rund um die Uhr im Einsatz. Um den hohen Bedarf an Beton zu garantieren, wurden hierfür fünf zusätzliche Betonmischer aus den USA importiert. Die Gesamtkosten für den Bau beliefen sich auf rund 90 Millionen Lire.
Die erste Autobahn Maut
Damit die hohen Kosten für den Bau wieder refinanziert werden konnten, wurde ein Mautsystem eingeführt. Eine optimistische Rechnung, wenn man bedenkt, dass es zur Zeit der Bauphase maximal 80’000 Fahrzeuge auf Italiens Strassen gab.
Das waren die Preise:
- 9 Lire für Motorräder
- 12 Lire für Fahrzeuge bis 17 PS
- 17 Lire für Fahrzeuge zwischen 17 und 26 PS
- 20 Lire für Fahrzeuge über 26 PS
- 40 bis 60 Lire für Busse, je nach Länge
Militärischer Gruss
Interessant dabei ist, dass ein Rückfahrtticket, das nur zwischen 6 Uhr morgens und 1 Uhr nachts gültig war, mit einem Rabatt von 20 Prozent zu haben war. Bis 1946 waren die Maut-Beamten zudem verpflichtet, Uniformen zu tragen und jedes ein- und ausfahrende Fahrzeug militärisch zu grüssen. Man stelle sich vor, das wär noch heute so …
Der runde Geburtstag wurde mit einem besonderen Autokorso gefeiert. Der Historische Automobilclub Italiens (ASI) und deren angeschlossenen Clubs befuhren mit Fahrzeugen und Motorrädern (nicht jünger als Baujahr 1945) die Strecke zwischen Mailand-Laghi.
Text: GAT
Bilder: 1924-2024 cento anni di autostrade