

KI – Kann irritieren
Neulich sass ich wieder mit einem alten Bekannten bei einem Bier zusammen. Er ist schon länger in der Autoindustrie tätig und scheint oft ein bisschen mehr zu wissen, als er offiziell sagen dürfte. Also fragte ich ihn direkt: „Sag mal, hast Du schon mal mit Deinem Auto gequatscht?“
Mein Kumpel hatte gerade den Schlüssel zu seinem neuen Dienstwagen bekommen – vollelektrisch, vollvernetzt, voll mit „intelligenten“ Systemen. Wir sassen auf seinem Balkon, zwischen Bierflaschen und Bratengeruch vom Nachbarn. Ich fragte: „Na, schon mal mit deinem Auto gequatscht?“
Er nahm einen Schluck und nickte. „Klar. Heute früh. Ich hab gesagt: ‘Spiel was, das wach macht.’ Und was macht das Auto? Meditationsmusik. Fünf Minuten Windspiel mit plätscherndem Bach und einem Gong zum Finale.“
Ich grinste. „Immerhin hat’s dich nicht wieder ins Bett geschickt.“ Er schüttelte den Kopf. „Weisst du, das Ding soll angeblich Kontext verstehen, ganze Sätze interpretieren, sogar halbwegs Konversation hinkriegen. Aber 90 Prozent der Leute, mich eingeschlossen, nutzen’s wie ’ne Fernbedienung mit Stimme. ‘Ruf Peter an.’ ‘Mach lauter.’ ‘Navigiere mich zur Arbeit.’ Das ist alles.“
Ich nickte. „Die Systeme werden klüger – aber die Fragen bleiben gleich.“ „Genau das“, meinte er. „Die Sprachassistenten könnten heute deutlich mehr: Empfehlungen, Termine, kleine Alltagshilfen. Aber genutzt wird’s kaum. Stattdessen fragt man zum hundertsten Mal nach dem Wetter oder lässt sich ‘nen schlechten Witz erzählen, damit das System nicht komplett einrostet. Die Technik hat Potenzial – aber keiner nutzt’s aus.“
Wunderwerk der Technik
Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht traut man sich nicht. Oder man weiss gar nicht, was alles geht.“ Er sah mich an. „Oder es ist einfach egal. Für viele ist das Ding bloss eine bequeme Möglichkeit, Knöpfe zu sparen. ‘Fenster runter’, ‘Temperatur hoch’ – mehr wollen die meisten gar nicht. Und wenn sie dann doch mal was Anspruchsvolleres sagen, versteht’s nicht – oder es dauert zu lang. Und keiner will morgens um sieben ein Streitgespräch mit dem Auto führen.“ Ich lehnte mich zurück, hörte dem entfernten Sirren eines E-Rollers zu. „Dann ist es also nicht die Technik, die scheitert, sondern der Alltag, der sie langweilt.“ Er lächelte schmal. „So könnte man’s sagen. Die Systeme sind inzwischen durchaus brauchbar – aber was die Leute damit anfangen, ist oft enttäuschend banal. Wir geben Befehle wie im Kasernenhof: kurz, stumpf, eindimensional. Das ist wie mit einem promovierten Butler, den du jeden Tag bittest, dir die Schuhe zu binden.“
Er grinste. „Weisst du, manchmal frag ich mich, ob wir das wirklich wollen – Maschinen, die mitdenken. Oder ob’s uns nur nervös macht. Vielleicht ist’s leichter, wenn sie einfach dumm bleiben.“ „Ach, dann trinken wir auf die klügsten Systeme, die keiner braucht – und auf die dümmsten Befehle, die sie täglich hören.“
Text: GAT
Fotos: KI