

Wenn man «Peugeot» sagt, denken die meisten an Löwen im Kühlergrill, Leasingraten und vermutlich irgendwas mit ein oder zwei «Nullen» im Namen. Dabei wäre das nur die halbe Wahrheit – oder genauer gesagt: ein Kapitel aus einem ziemlich wilden Buch französischer Industriegeschichte. Denn bevor Peugeot Autos baute, baute Peugeot... alles. Oder sagen wir: alles, was sich schneiden, mahlen oder auf Räder setzen liess.
Es beginnt im Jahr 1810 – als Deutschland noch ein Flickenteppich war und man in Frankreich offenbar schon wusste, wie was man mit einer Metallfabrik so alles anstellen könnte. Statt Mehl flogen plötzlich Sägeblätter aus Sochaux. Und nicht nur das: Peugeot stellte Korsetthaken her, die sogar bis in den Orient exportiert wurden. Wer hätte gedacht, dass französischer Stahl einst nicht nur Zylinderkopfdichtungen, sondern auch Taille formte? Das Geheimnis lag in den Hohlprofilen was den Trägerinnen einiges an Gewicht ersparte.
Der Küchensturm
Noch bevor der erste Zylinder zündete, erfand Peugeot die Kaffeemühle. Und kurz darauf – für Gourmets der grössere Wurf – die Pfeffermühle. 1842 kam das erste Modell auf den Markt, 1874 das Kultmodell «Z». Und weil das nicht genug war, schuf Peugeot bald eine Variante, bei der das Mahlwerk im Kopf sass und der Pfeffer elegant nach unten rieselte. So blieb es unter und neben der Mühle sauber. So viel Stil beim Würzen hat selbst die Nouvelle Cuisine nicht verdient. Heute mahlen Peugeot-Mühlen immer noch mit französischer Nonchalance – zuverlässig, langlebig und mit einem Biss, den man sonst nur von Mechanikerzangen kennt.
Apropos Zange: Auch in der Werkstatt schnitt Peugeot gut ab. Scheren, Sägen, Hobelmesser – das Sortiment las sich bald wie das Register eines gut sortierten Baumarkts mit Abitur. Kurz vor dem automobilen Durchbruch, um 1889, fertigte Peugeot über 50 000 Scheren und fast eine Million andere Metallteile jährlich. Während anderswo noch an der Idee des Verbrennungsmotors gefeilt wurde, lieferte man in Sochaux bereits das Werkzeug für die gesamte Industrialisierung.
Draht-Löwe
Dann kam das Fahrrad. Erst halsbrecherisch mit Hochrad, dann elegant mit Gangschaltung. Wer sich keinen Peugeot mit vier Rädern leisten konnte, trat eben mit zwei Pedalen französisch in die Zukunft. Übrigens nicht schlecht: Bei der Tour de France war man jahrzehntelang erfolgreich, und in den 1970ern galt Peugeot als Europas grösster Fahrradhersteller. Nebenbei erfand man einen wartungsarmen Kardanantrieb, als andere noch über Kettenöl diskutierten. Die Fahrräder hiessen natürlich «Lion». Sehr subtil, Peugeot!
Und wie das bei Löwen so ist: Man will man mehr. 1901 also: das erste Peugeot-Motorrad, 1,5 PS – aber bitte mit Stil. Zwei Jahre später dann ein Dreirad-Roller, kurz darauf ein Weltrekord im Schnellfahren. Heute gilt Peugeot als ältester noch existierender Hersteller motorisierter Zweiräder – was man nicht unbedingt merkt, wenn man an einem Supermarktparkplatz an einem 50cc-Roller vorbeischleicht. Aber das Erbe lebt. Irgendwie.
Was bleibt?
Peugeot war nie nur Automarke. Sondern immer auch ein Bauchladen mit Ambitionen. Eine Firma, die mit derselben Leidenschaft Pfefferkörner knackt wie Getriebewellen. Die sich nie zu schade war für das Kleine.
Der Löwe von Peugeot kann also nicht nur brüllen. Er kann mahlen, schneiden, schalten, tackern, pedalen – und natürlich beschleunigen. Vielleicht liegt genau darin das Erfolgsrezept: nicht Spezialisierung, sondern ein fein gewürztes Ensemble aus Handwerk, Tüftlergeist und französischer Eigenwilligkeit.
Denn wer heute in ein Peugeot-Auto steigt, fährt nicht nur – er bewegt sich auf dem Erbe einer Marke, die einst das Würzen neu erfand.
Text: GAT
Fotos: Peugeot, W&C, CC