Porsche 911 GTS: Epochaler Wahnsinn
Die Hybridisierung des 911ers ist die nächste historische Weiche für die Zuffenhausener. Der grünste Porsche 911 dreht noch schneller im roten Bereich. Die erste Skepsis gegenüber der Hochvolt-Technik wird in Hochspannung umgewandelt. Wir sind den neuen Porsche 911 GTS gefahren.
Vom sportlichen Käfer mit luftgekühlten Heckmotor bis zum Supersportler: In den 61 Jahren seiner Geschichte wurde der Porsche 911 mit jeder Generation und jedem Facelift schneller, agiler und besser. Das Ur-Konzept wurde schon längst über Bord geworfen.
Mit dem frisch facegelifteten 992.2 GTS gibt es nun erneut eine epochale Wendung, die noch mehr Sportlichkeit, noch mehr Leistung und noch mehr Juhee verspricht: Der 911er wird hybridisiert. Das Netz explodierte förmlich von Kommentaren: von Gotteslästerung bis Weltuntergangsstimmung war alles dabei.
Effizienz auch in anderen Sphären
Die Entwarnung von Porsche kam prompt: Der hybride 911 wird kein Plug-in werden. Die Strom-Unterstützung sei nicht dafür da, Greta als Ambassador für Porsche zu gewinnen. Obwohl die Effizienz, auch in leistungsfähigen Sphären, sehr umweltfreundlich ist.
Die Verbindung aus thermischem und elektrischem Antrieb im 911er GTS besteht aus folgenden Komponenten: Ein kleiner Akku, eine elektrische Synchronmaschine und ein Boxer-Motor im Heck. Aber der Reihe nach: Der 1,9 kWh-Akku sitzt im Bereich der Vorderachse und arbeitet mit einer Spannung von 400 Volt. Die Porsche-Ingenieure feiern das geringe Gewicht und die sehr kompakten Aussenmasse. Der Stromantrieb ist in das verstärkte Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe integriert. Die Zahlen: Antriebsmoment von maximal 150 Nm und bis zu 40 kW Leistung. Er unterstützt den Boxermotor bereits ab Leerlaufdrehzahl und schaufelt das Turboloch zu. Zusätzliche Effizienzsteigerung entsteht, indem die überschüssige Turbo-Energie nicht einfach rausgefurzt wird, sondern über einen Kompressor in Strom rekuperiert wird.
Boxer elektrisch angeblasen
Die Weissacher haben sich natürlich auch dem Herzstück gewidmet. Der boxende Sechser ist eine Neuentwicklung. Der nahezu komplett aus Alu gefertigte 3,6-Liter verzichtet gänzlich auf Antriebsriemen, da sämtliche Aggregate elektrisch angetrieben werden. Mit seinen 541 PS und 610 Nm Drehmoment leistet er satte 61 PS mehr als der Vorgänger. Das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe ist serienmässig an Bord. Allradantrieb gibt es dagegen nur gegen Geld und mit 50 Kilo Zusatzmasse.
Fahrdaten sprechen deutliche Sprache
Nur noch 3 Sekunden genehmigt sich der GTS für den Sprint auf Tempo 100. Der Schub setzt bereits im Drehzahlkeller ein und entfaltet sich linear bis zum Begrenzer. Dass jetzt nur noch ein Turbo am Werk ist, ist punkto Kraft- und Leistungsentfaltung nichts zu spüren.
Doch Porsche wäre nicht Porsche, wenn man nicht auch dem Fahrwerk einen weiteren Feinschliff verpasst hätte. Ob steinhart wie im GT3 oder Turbo oder Untergrund entkoppelt wie im Panamera oder Taycan: Die ganze Bandbreite von Soft bis Hart lässt sich über einen Dreh am Lenkrad-Satellit auswählen.
GTS steht für Gran Turismo Sport
Die Bezeichnung GTS wird für Modelle verwendet, die eine sportlichere Ausstattung und Performance bieten als die Standardmodelle – ein ausgewogenes Verhältnis von Alltagstauglichkeit und sportlicher Leistung also. Der GTS ist die Gutmütigkeit in Person und lässt seinen Chauffeur nie im Ungewissen. Wird doch mal aus Spass ernst, kann man mit der 10-Kolben-Bremse aus dem Turbo S sehr schnell ankern.
Wankstabilisierung (PDCC)
Den angepassten Federraten und weiterentwickelten Dämpfern sei Dank geht's noch schneller und geschmeidiger ums Eck. Breitere 315er-Finken an der Hinterachse und die nun in die 400-Volt-Architektur integrierte Wankstabilisierung (PDCC) sorgen für beste Strassenlage. Mit der jetzt serienmässigen Hinterachslenkung kommt man schnell ums Eck und erreicht G-Kräfte, die Otto-Normal-Verbraucher wohl nie ausreizen kann.
Der Bessermacher
Ein Hybrid mit 1670 Kilogramm Lebendgewicht ist ein drahtiger Typ. Beschleunigung, Kurven und Stopp gehen so mühelos, dass das Fahrzeug sich spielerisch bewegen lässt. Es macht seinen Piloten von dem ersten Meter weg zu einem besseren, sensiblen Fahrer.
Aerodynamische Elemente
Optisch setzt sich die neue Generation vor allem mit den vertikalen Vorhängen in der Frontschürze ab. Diese aktiven aerodynamischen Elemente verbessern je nach Stellung den Luftwiderstand oder optimieren den Luftstrom rund um den Unterboden.
Startknopf, natürlich links
Im Innern finden sich erstmals ein Startknopf – natürlich links – und ein gänzlich digitales Instrumentarium. Mit dem neuen 12,6-Zoll-Screen hat man jetzt auch die äusseren Anzeigen immer im Blick, da sie bei ungünstiger Sitzposition nicht mehr vom Lenkradkranz verdeckt werden. Wer sie dennoch will, kann digital natürlich auch auf die klassische 5-Tuben-Anzeige umstellen.
Schön ebenfalls ist die Integration von Apple CarPlay, das seine Infos neu im Kombiinstrument anzeigt und ebenfalls die Bedienung der Fahrzeugfunktionen über Siri ermöglicht. Wir probieren es gleich mal aus. “Hey Siri, welcher Hersteller baut immer noch die sportlichsten und effizientesten Autos?” Siri: “Ich habe die Frage nicht verstanden.”
Mehr zum Porsche 911 in der neuen Ausgabe der auto-illustrierte.
Text: GAT
Bilder: Porsche