auto-illustrierte-Reifentest

Straffes Programm

Beim Reifentest der auto-illustrierte ging es richtig zur Sache. Vier SUV-Reifen mussten ihr Können auf dem Goodyear-Testgelände in elf Disziplinen unter Beweis stellen. Dabei gab es einige Überraschungen.

Veröffentlicht am 01.08.2024

SUVs sind in. Entsprechend gross ist die Nachfrage nach der richtigen Besohlung. Da kann man auch schnell mal danebengreifen. Ein Grund mehr, den EfficientGrip 2 SUV gegen den Vector 4Seasons Gen-3 und den grobstolligen Duo Wrangler AT Adventure und Wrangler Duratrac RT antreten zu lassen. Zwei Jeep Grand Cherokee mussten auf dem Goodyear-Testgelände im südfranzösischen Mireval als Versuchskaninchen herhalten. Aus Gründen der Antriebsverstellbarkeit wurde für die Offroaddisziplinen ein Ford Ranger eingesetzt, um nur mit Hinterradantrieb die Ritte auf Schotter und losem Untergrund zu absolvieren.

Elf Disziplinen standen somit auf dem Programm. Erstmalig mussten die Goodyear-Pneus auch offroad in Beschleunigungs- und Bremstests gegeneinander antreten. Dazu gehörte auch das Anfahren am Berg. Überdies wurden die Innenraumgeräusche bei 50, 80 und 120 km/h gemessen. Ergänzend zu den realen Tests ging es parallel dazu ins Labor des TÜV Süd, wo der Rollwiderstand der vier Probanden ermittelt wurde.

Stabilität birgt Gewicht

«Wir wollten herausfinden, wo die Unterschiede in den Sicherheitsaspekten, der Wirtschaftlichkeit und im Rollwiderstand sind», sagt TÜV-Süd-Experte Michael Stamm. «Dabei galt es, aufzuzeigen, dass die AT- und RT-Reifen vielleicht nicht nur optische Attraktivität, sondern in manchen Disziplinen auch Vorteile bieten.» Da spielen schon allein die Reifengewichte eine nicht zu unterschätzende Rolle. Leichtester ist der Allwetterreifen mit einem Gewicht von 15,7 Kilogramm, gefolgt vom 16,1 Kilogramm wiegenden EfficientGrip sowie dem Wrangler AT, der 17,2 Kilogramm auf die Waage bringt. Schwergewicht ist in diesem Ranking der 22,8 Kilogramm wiegende RT. Heisst, man schleppt gegenüber dem 4Seasons-Reifen 7,1 Kilogramm mehr mit sich herum – pro Rad wohlgemerkt.

Macht rundherum ein Mehrgewicht von rund 28 Kilogramm aus. «Das ist dem höheren Materialaufwand in der Seitenwand der Karkasse, der Stabilität und der höheren Profiltiefe geschuldet», so der TÜV-Süd-Experte. «Sieben Kilogramm pro Rad sid  schon ordentlich. Erst recht, da heute jeder Hersteller versucht, jedes Gramm irgendwo einzusparen, ohne dass die Qualität darunter leidet.»

Und welcher Pneu eignet sich für wen? Stamm: «Vielfahrer werden sich schon allein aufgrund der lauteren Abrollgeräusche und des höheren Benzinverbrauchs immer für den herkömmlichen Sommer- oder den Allwetterreifen entscheiden. Ein AT-Reifen wird oft aufgezogen, wenn man beispielsweise einen Pferdeanhänger ziehen will oder das ein oder andere Mal auf nassen Wiesen oder Waldwegen unterwegs ist. Heisst leichtes Gelände mit eventuell rutschigem Untergrund. Für den RT wird man sich in erster Linie rein aus optischen Gründen aussprechen. Geht es jedoch auf schlammige Pisten, Sand oder Schotter ins harte Offroadgelände, kann auch er seine Stärken ausspielen.»

Label beachten

Das Reifenlabel gibt schon viel Aufschluss beim Kauf der richtigen Besohlung. Fällt die Wahl auf einen AT-Reifen, kann man kein A-Label beim Nassbremsen wie beim regulären Sommerreifen erwarten. Was aber nichts über die Performance beim Trockenbremsen aussagt. Und da er das Schneeflocken-Symbol auf der Seitenflanke trägt, mutiert er zum All-Seasons-Pneu und ist zu 70 Prozent für Strasse und 30 Prozent für leichtes Offroadgelände ausgelegt. Das Verhältnis 50:50 gilt für den nochmals etwas gröberen RT.  Doch der ist nicht mit einem Reifenlabel ausgezeichnet. «Da es sich hier um einen ‹Professional Off-Road›-Reifen, kurz POR, handelt, fällt er nicht in die Typengenehmigung ECE 117», weiss Stamm. «Diese Reifen müssen nur einen Schnelllauftest bestehen, werden aber nicht hinsichtlich des Nassbremsverhaltens, der Schneeeignung, des Rollwiderstands und der Abrollgeräusche gecheckt. Man muss sich also bewusst sein, dass es keine Hinweise für den Verbraucher gibt, wie gut er im Vergleich zu den geltenden Richtlinien punkto Nassbremsen, Abrollgeräusche und Rollwiderstand ist. Heisst, er ist zu 50 Prozent auf die Strasse und zu 50 Prozent auf Offroadverhältnisse ausgelegt.»

Sicherheitseinbussen

Wie hoch der Unterschied gerade bei den sicherheitsrelevanten Disziplinen ist, zeigen die Ergebnisse des Tests.  Beispiel Trockenbremsen: Steht der EfficientGrip bereits nach 36,4 Metern, rauscht der Duratrac RT noch rund zehn Meter weiter und muss bis zum Stillstand noch ein Tempo von 47?km/h abbauen. Gar nicht auszudenken, was passiert, wenn er mit dieser Geschwindigkeit auf ein Hindernis trifft. Ähnliches, wenn auch nicht ganz so eklatant, spielt sich beim Nassbremsen ab. Hier performt abermals der Sommerreifen am besten und der RT muss noch 35,2 km/h bis zum Stillstand abbauen. Dafür schwächelt plötzlich der AT umso mehr. Er steht erst nach 53 Metern und muss noch 38,7 km/h abbauen, bis er steht. Besser ergeht es dem grob­stolligen Pneu auch nicht beim Längsaquaplaning. Er schwimmt bereits bei 67,2 km/h auf. Und der RT hat mit 99,8 km/h sogar die Nase vorn, während der Vector 4Seasons schon bei 88,7 km/h und der EfficientGrip bei 87,4 km/h die Haftung verlieren. Bei nasser Kreisfahrt lässt er sich dann aber nichts mehr zuschulden kommen, muss sich aber mit einer Rundenzeit von 15,07 Sekunden hinter dem 4Seasons anstellen, der die Disziplin in 14,97 Sekunden absolviert.  Die fehlende Seitenführung geht dem grobstolligen Duo auch im Nasshandling ab. Gegenüber dem EfficientGrip hinkt der AT rund 7,5 Sekunden und der RT über sechs Sekunden hinterher – pro Runde wohlgemerkt. Auf trockener Piste ergeht es dem Duo nicht viel besser, wo ihm fast drei Sekunden auf die Bestzeit fehlen. Das mag auf den ersten Blick nicht viel sein, liegt aber zum Teil am im Hintergrund mitarbeitenden ESP, das den Jeep immer wieder einbremst und ihn dadurch limitiert.

Die Offroaddisziplinen sollten eigentlich die grosse Stärke der «Grobstoller» sein. Denkste. Hier kann nur der AT überzeugen. Und der RT belegt beim Bremsen sogar nur den letzten Platz des Quartetts. Er muss sich auch punkto Beschleunigung und Berganfahrt dem AT beugen. Bleibt noch die Innenraumgeräuschmessung. Hier liegen die Werte zwar gerade bei 120 km/h mit Ausnahme des EfficientGrip relativ eng zusammen. Subjektiv ist beim AT- und RT-Pneu ab 80 km/h jedoch ein hochfrequentes und unangemessenes Pfeifen zu vernehmen, das dem grobstolligen Profil zuzuschreiben ist.

Die parallel stattgefundenen TÜV-Süd-Prüfstandsversuche punkto Rollwiderstand ergänzen die Testwerte. Dort ordneten sich die beiden PW-Reifen dort ein, wie man es im Vorfeld erwarten durfte. Während der AT-Pneu noch in Schlagdistanz ist, fällt der Duratrac RT abermals zurück. So kann man davon ausgehen, dass sich das auch auf den Verbrauch negativ auswirken wird und der RT gegenüber dem EfficientGrip einige Liter mehr konsumieren wird.

Egal für welchen der vier Reifen man sich entscheidet, nimmt man bei den grobstolligen AT- und RT-Pneus auf alle Fälle sicherheitsrelevante Abstriche in Kauf.

Text: Jörg Petersen

Bilder: auto-illustrierte

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