Test: Neue Mercedes E-Klasse mit Hybrid
Die E-Klasse mausert sich zum heimlichen Technologiestar bei Mercedes. Der jüngste Wurf ist nicht grundlegend neu. Er vereint vielmehr das Beste vom Besten zum noch harmonischeren Gesamtpaket.
Abgesehen vom twas grosszügigeren Platzangebot im Fond und der Tatsache, dass es sich um das Flaggschiff und damit um den Technologiepionier handelt, gibt es kaum mehr einen Grund, sich eine S-Klasse anstelle einer E-Klasse zu kaufen. Klar, da noch das Prestige zu nennen und in China, dem mittlerweile wichtigsten Markt für Mercedes, ist das sowieso wieder eine ganz andere Sache. Für Europa aber gilt spätestens mit der nunmehr sechsten Generation der E-Klasse: Besser geht es kaum.
Mehr als eine kleine S-Klasse
Gegenüber dem Vorgänger ist alles nochmals etwas feiner, gediegener, komfortabler. Angefangen beim Interieur, wo sich Plastik einzig bei den Schnellwahltasten unterhalb des Hauptdisplays sowie – komischer- und unnötigerweise – im vorderen Teil der Armauflage in den Türen befindet. Ansonsten ist alles beledert, befilzt, unterschäumt und veranlasst in keinster Weise zur Kritik.
Auch in der E-Klasse ist die Cockpit-Landschaft von Mercedes nun angekommen.
Auch ein Knarzen der Mittelkonsole, wie es etwa in den A-Klasse-Modellen auftritt, ist keines auszumachen. Wäre aber natürlich auch fatal, denn zumindest ist die E-Klasse längst – beziehungsweise in Anbetracht der nach wie vor erfolgreichen Verkaufszahlen schon immer – mehr als nur die kleine S-Klasse.
Grosses Motorenangebot
Dass dem so ist, dafür sorgen zwei Dinge. Einerseits gibt es wiederum eine riesige Optionenliste, mit der nach Lust und Laune individualisiert werden kann. Die Preise für die neue E-Klasse gibt Mercedes erst Mitte August bekannt, als Richtwert: Der Vorgänger startete bei 62'400 Franken und kam vollausgestattet auf weit über 100'000 Franken. Andererseits ist motorenseitig für jeden etwas dabei. Angefangen wird mit zwei Zweiliter-Vierzylindern. Der Benziner leistet 150 kW/204 PS und 320 Nm, der Diesel 145 kW/197 PS und 440 Nm.
Das Motorenangebot der Mercedes E-Klasse ist reichhaltig und wird noch ausgebaut werden.
Weitere Leistungsstufen davon werden folgen, zudem wird je ein Dreiliter-Sechszylinder nachgereicht. Zudem gibt es jede Menge Plug-in-Hybrid-Versionen. Den Beginn macht die Benzinvariante in zwei Leistungsstufen mit einer Systemleistung von 230 kW/313 PS und 550 Nm oder 280 kW/381 PS und 650 Nm. Später wird es wiederum auch den Diesel-PHEV geben mit 230 kW/313 PS und 700 Nm. Alle sind mit dem riesigen 25,4-kWh-Akku bestückt, der eine (realistische) E-Reichweite von rund 100 Kilometern ermöglicht. Das Zusammenspiel mit der 9-Gang-Automatik gelingt sanft, Übergänge sind kaum auszumachen. Über Schaltpaddles am Lenkrad kann die Rekuperation in ausreichendem Mass eingestellt werden.
Irgendwann mit vollautonomem Fahren
Und da ist noch mehr. Die digitale Seele wird mit einer Leinwand an Bildschirmen befriedigt. Selbst der Beifahrer bekommt einen und kann dort Fahrdaten abrufen, Videos schauen oder durchs Internet browsen. Falls ihm dabei unwohl sein sollte, gibt es verschiedene Programme, die den Sitz, die Lüftung und die Beleuchtung verändern. Für die soziale Ader gibt es Apps wie Zoom oder
TikTok sowie eine prominent auf dem Dashboard platzierte Selfiekamera. Unnötig, wie wir finden, aber die amerikanischen Journalisten flippten bei der Fahrpräsentation dafür aus, womit es die Chinesen noch mehr tun dürften. Und: In der S-Klasse gab es auch immer mal wieder Spielereien, deren Nutzen (zunächst) nur bedingt ersichtlich waren.
Gutes Platzangebot in der zweiten Reihe, wie es sich für die obere Mittelklasse gehört.
Letztendlich geht es natürlich auch in der E-Klasse darum, zu zeigen, was man kann. Und das ist jede Menge: Nebst dem ohnehin üppigen Assistenz- und Sicherheitsangebot durften wir erstmals den automatischen Spurwechselassistenten erfahren. Das
System wechselt die Spur auf der Autobahn bei aktiviertem Tempomaten vollautonom, also ohne jeglichen Input des Fahrers. Die E-Klasse setzt den Blinker, zieht rüber, überholt und wechselt danach zurück auf den rechten Fahrstreifen. In Amerika soll der Assistent noch dieses Jahr kommen, für Deutschland peilt man nächstes Jahr an, insofern es die Gesetze erlauben. Wie beim Level-3-Fahren in der S-Klasse dürfte es danach noch eine Weile dauern, bis andere Länder gesetzlich nachziehen. Was bedeutet: Die Funktionalität wird mittels Geofencing eingeschränkt, die E-Klasse muss hierzulande also zumindest dahingehend eingebremst werden.
Komfortabel auf Kurz- und Langstrecken
Etwas bremsen kann man aber auch von selbst. Das Steckenpferd sind die Langstrecke und weite Kurven. Zwar durcheilt die E-Klasse zumindest im Sport-Modus auch engere Kehren souverän und präzise, ein Nachschaukeln ist aber stets auszumachen. Was keine Kritik ist, denn immerhin handelt es sich um eine Reiselimousine par excellence mit auf Wunsch allerhöchsten Komfortfunktionen. Hinten wurde das Platzangebot grösser, im Kofferraum schränkt einzig die Batterie etwas ein. Doch auch hier: Dank der Vielfalt ist für jeden etwas dabei.
Grundlegend neu ist die E-Klasse nicht. Vielmehr konzentriert sie sich darauf, die besten Bauteile aus dem Konzernregal kundenfreundlicher in Szene zu setzen. Und das gelingt bestens.
Technische Daten Mercedes-Benz E-Klasse 400e 4MATIC
- Antrieb: R4-Turbobenziner-PHEV
- Hubraum: 1999 cm3
- Leistung Verbrenner: 185 kW/252 PS bei 5800/min
- Drehmoment Verbrenner: 400 Nm bei 3200–4000/min
- Leistung E-Motor: 95 kW/129 PS
- Drehmoment E-Motor: 440 Nm
- Systemleistung: 280 kW/381 PS
- Systemdrehmoment: 650 Nm
- Getriebe: 9-Gang-Automat
- Antrieb: Allrad
- Beschleunigung 0–100 km/h: 5,3 s
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (abger.)
- Traktionsbatterie: Lithium-Ionen, 25,4 kWh (brutto)/19,5 kWh (netto)
- el. Reichweite (WLTP): 95–109 km
- Verbrauch (WLTP): 0,6–0,9 l/100 km
- CO2-Ausstoss: 14–20 g/km
- Effizienzkategorie: A
- Abmessungen L/B/H: 4949/1880/1480 mm
- Radstand: 2961 mm
- Reifendimensionen: v. 245/40?R19/h. 275/35 R19
- Leergewicht: 2265 kg
- Zuladung: 595 kg
- Ladevolumen: 370 l
- Preis: ab 90'800 Franken
Text: Cédric Heer
Fotos: Mercedes-Benz