New Panamera: Eine Symphonie der Sinne
Mit Autos ist es wie mit Software: Je aktueller, desto besser. Zumindest ist uns kein Informatiker bekannt, der von Windows 95 schwärmt. Die Symbiose aus technologischen Innovationen macht grundsätzlich jedes neue Modell besser als das alte. Das wird beim neuen Porsche Panamera 4 nicht anders sein. Oder doch?
Den neuen Porsche Panamera 4 muss man zuerst auf sich wirken lassen. Die lange, sanfte Coupé-Linie, die perfekten Proportionen zwischen Höhe, Breite und Länge – wie ein Kunstwerk. Rein optisch hat sich zum Vorgänger nicht viel verändert; warum auch?
Zwei Turbos blasen den V6-Dreiliter auf eine Leistung von 260 kW/353 PS und 500 Nm Drehmoment. Für die knapp zwei Tonnen ein völlig erhabener Antrieb. Aus dem Stand sind nach 4,8 Sekunden die Hundert geknackt – aufhören wird der Spass erst bei 270 km/h. Entgegen der Panamera Einstiegsversion mit Heckantrieb werden beim Testobjekt alle vier Räder angetrieben. Man könnte hier noch mehr Performance-Werte anführen, was aber ebenso langweilig wäre wie zu einer Bilanzpräsentation zu tanzen. Den neuen Panamera muss man geniessen wie einen First-Class-Flug nach Singapur, eine Suite in einem Fairmont-Hotel oder einen Sonnenaufgang auf der Rigi, den Mark Twain so beschrieben hat: “Dies ist der lieblichste Flecken Erde, auf dem ich je geruht habe”. Gilt auch für den Panamera.
Und das, obwohl beim Porsche Panamera 4 noch gar nicht das Active Ride Control-Fahrwerk an Bord ist. Das Wunder-Fahrwerk, das mehr Lob erhält als Nemo für den ESC-Sieg, ist erst ab Modellvariante 4 S erhältlich. Im Testfahrzeug schaukelt man noch Holzklasse mit dem serienmässigen Luftfahrwerk. Aber schon das macht glücklich; es wiegt bei niedriger Geschwindigkeit so sanftmütig, als wäre man im Mutterleib. Je mehr Gas man gibt, desto straffer wird das Mutterschiff.
Egal, wie schnell man am Lenkrad wirbelt, und auf die Pedalen tritt – kein negatives Feedback. Als ob man einen Riesen kitzeln würde. Der neue Panamera 4 verhält sich stets mustergültig: weder vorlaut, noch zickig, sondern immer freundlich und diskret. Auch an der Tankstelle: Der Verbrauch liegt bei genügsamen 10.8 l/100 Kilometer. Das macht sogar auf der Spesenabrechnung keinen schlechten Eindruck. Das ändert sich natürlich schnell, wenn man die sportlichen Fahrmodi anwählt. Aber dazu hat man gar keine Lust, genauso wie man ja auch nicht durch ein Museum rennt.
Cruisen ist das neue Gas geben
Wer im Pilotensessel sitzt, wird gut behandelt. Vor einem das wohl schönste Cockpit eines Serienfahrzeuges. Die digitalen Bildschirme reichen nun von links bis und mit Beifahrer – wie im Cayenne. In der Nase den Porsche Neuwagengeruch, der so glücklich macht wie ein Harvard-Diplom. Die Sportsitze umarmen einen, als hätte man einen guten Freund wieder getroffen. Ein bisschen Harmonie in einer disharmonischen Welt.
Die gigantische Mittelgang-Konsole erinnert an einen Steinway-Flügel. Alles, was man berührt, fühlt sich wichtig und richtig an. Von den exklusiven Materialien, die man gerne streicheln würde bis zu den liebevollen Details wie dem Klicken, wenn man die gefrästen Schalter betätigt – kleine Momente des Glücks.
Zusammen mit der Massagefunktion muss man sich echt zusammen reissen, damit man nicht vor lauter Geniessen die Augen schliesst und in meditative Trance fällt. Doch dazu kommt es bestimmt nicht. Denn das Testauto piepst. Dauernd. Immer. Erst dachten wir, es seien Gershwins inkonsequente Disharmonien, die wir über das Bose Audiosystem genossen haben. Aber nein, es ist das ISA (Intelligent Speed Assistance). Die “Intelligente Geschwindigkeitsassistenz” ist seit Juli Pflicht. Jeder Neuwagen muss diesen Geschwindigkeitswarner an Bord haben, der selbst minimalste Übertretungen akustisch straft. Was unsere anfängliche These widerlegt, dass jedes neue Modell besser ist als das alte. Dafür können die Porsche Leute nichts, die ein sensationelles Auto gebaut haben. Der Dislike geht an die EU-Behörden, die einen Vogel haben.
Fazit:
Der Porsche Panamera 4 ist ein Kunstwerk auf Rädern. Nichts schreit: Performance. Wäre da nicht eine Stoppuhr in der Mitte, wäre es einfach eine Limousine, mit der man gerne verreisen will. Zum Wein-Tasting in die Toskana, zum Golfspielen ins Piemont oder zum Yoga in Slowenien. Hauptsache weit weg. Hier muss nichts, aber alles kann.
Technische Daten
Motor: V6-Biturbo, 2894 cm3
Leistung, Drehmoment: 260 kW/353 PS, 500 Nm
0-100 km/h Spitze: 4,8 s, 270 km/h
CO2-Emissionen, Energieeffizienz: 245 g/km, G
Verbrauch: 10.8l/100 km
Leergewicht, Zuladung: 1920 kg, 620 kg
L/B/H, Radstand: 5202x1937x1432 mm, 2950 mm
Kofferraum: 494 - 1328 l
Testwagenpreis: 179’000.--
Text und Fotos: Jürg Zentner