Selbstversuch eines Camping-Hassers
Oh, ich hasse Camping. Ich hasse Camper, ich hasse Campingplätze, ich hasse Campingstühle und ich hasse die langen Staus hinter Campern! Ich hasse ebenso Dachzelte, Ravioli aus dem Gaskocher, Khaki-Hosen mit tausend Taschen, Lagerfeuer und generell in Autos zu übernachten, weil das nicht deren Bestimmung ist.
Der bekannteste Camper ist der von Walter White in der Serie Breaking Bad. Neben der Nutzung als Meth-Labor gibt es für mich keinen weiteren vernünftigen Grund, wieso man sich einen Camper anschaffen sollte. Bin ich ein Weichei, nur weil ich gerne in Hotels logiere, lieber warm als kalt dusche und meinen Hintern nur ausgewählte Keramik zumuten will?
Wer braucht schon ein linkes Bein …
Warum hab ich nur “Ja” gesagt zum dreitägigen Camping-Trip mit dem VW California durch Slowenien?! Und das, obwohl ich mir wenige Wochen vor Tourbeginn das Bein gebrochen habe und nun am linken Huf einen pinken Gips tragen muss. (Antwort der Redaktion-Kollegen: «Man braucht keinen linken Fuss zum Camperfahren»)
Hotel California
Nichts gegen den California, den innovativsten Bulli aller Zeiten, wie VW verspricht. Aber in meiner Vorstellung ist jeder Camper eine Verkehrsbehinderung; vielleicht auch deshalb, weil nur Schnecken ihr Haus mit sich herumschleppen. Jedem anderen Tier würde es runterfallen.
Und da steht es auch schon, mein Schneckenhaus in Form eines VW California Ocean. Hat er eine Dusche? Hat er ein Klo? Wie lautet das WLAN-Passwort? Muss ich auf dem Campingplatz für die Klimaanlage die ganze Nacht den Motor laufen lassen? Bin ich denn der einzige, der sich diese Fragen stellt? Dem fassungslosen Gesichtsausdruck des Organisators zufolge, ja, beziehungsweise nein. Keine Dusche, kein Klo, kein WLAN! Ojemine, das kann ja heiter werden:
Tag 1: Hilfe, was mach ich hier eigentlich?!
Der Organisator beginnt mit der Einführung vom Fahrzeug. Der California Ocean hat ab Werk nun rechts und links Schiebetüren verbaut, damit also von beiden Seiten die Mücken reinkommen können, prima! Und auch das Dach auf dem Dach kann nun serienmässig und rein elektrisch aufgestellt werden. So entsteht ein sogenanntes Drei-Raum-Konzept: eine Innenhöhle mit Aussenplätzen links und rechts vom Fahrzeug. Der VW California besitzt beidseitig eine Dachschiene, die für eine mechanisch ausfahrbare Markise oder ein Sonnensegel verwendet werden kann. Fehlen also nur noch Zaun und Gartenzwerge ...
Eigentlich gar nicht mal so schlimm
Das Fahrzeug an sich sieht gar nicht so schlimm aus, richtig schick sogar. Die Küche wirkt durchdacht und kann auf einen Frischwassertank von 28 Liter zurückgreifen. Zähneputzen, ohne einen Zeh auf einen Campingplatz setzen zu müssen, liegt also drin. Wie viel Frischwasser und – neues Wort gelernt – «Grauwasser» in den Tanks ist, kann man an der C-Säule einer Smartphone ähnlichen Bedieneinheit ablesen. Auch der Ladestand der zusätzlichen Batterie (40 Ah LiFePo) wird dort angezeigt. «Mit dieser zweiten Batterie muss man auch nicht den Motor die ganze Nacht laufen lassen», sagt der Organisator und dreht sich nach mir um. Jaja merci, ich hab’s kapiert.
Ocean ist die Luxusversion – wenigstens das
Von den angebotenen California-Varianten steigert es sich in punkto Ausstattung sowie preislich von Beach, Beach Tour und Beach Camper bis zu unserem Ocean. Bei «meinem Camper» handelt es sich also um die Luxusversion – wenigstens das. Statt einer Sitzbank setzt VW auf längs verschiebbare und herausnehmbare Einzelsitze. Als Grund dafür wird die hohe Nachfrage nach Stauraum für Velo und E-Bike genannt. Alles klar, hab’ ich nicht dabei.
Romantische Beleuchtung
Sehr cool sind die drehbaren Fahrer- und Beifahrersitze, die romantische Beleuchtung im Aufstelldach und Schiebefenster in den Schiebetüren, um den morgendlichen Muffel loszuwerden. Wegen des flexiblen, beidseitigen Zugangs musste die Küchenzeile eingekürzt werden. Der Kühlschrank öffnet sich nun nach vorne. So kann man auch von ausserhalb ins Bierfach greifen.
Nächtigen werden wir auf dem aufklappbaren Bett, das sich auf Sitzen und Küchenzeilen abstützt und später dann auch in der Loge des Aufstelldachs. Mit Roadbook, Thermobecher und Stirnlampe (nie im Leben werde ich als beleuchteter Minion rumlaufen!) schickt uns VW ins Abenteuer.
Roadtrip durch den Triglav-Nationalpark
Unser Roadtrip geht zuerst durch den Triglav-Nationalpark mit toller Bergkulisse und kristallklarem Gewässer. Der Nationalpark in Nordslowenien gehört zu den ältesten Parks Europas und feiert 2024 sein 100-jähriges Bestehen. Grösstenteils umfasst er die Julischen Alpen und mittendrin der Triglav «Dreikopf» mit 2864 Metern Höhe.
Bovec - der höchste Strassenpass
Weiter Richtung Bovec, über den höchsten Strassenpass Sloweniens (1611 Meter über Meer). Lass mich hier nicht im Stich, kleiner Diesel – ich will nicht als Futter von Problembären enden! Die Passstrasse ist eine echte Herausforderung für unseren Bulli. Was der VW California auf der hohen Passstrasse etwas vermissen lässt: Sowohl Leistung als auch Traktion. Dies liegt zum einen am lauchigen 110 kW (150 PS) Dieselmotor, zum anderen am nassen Kopfsteinpflaster.
Gipfeleroberung
Dem Modularen-Querbau-Spielzeugkasten von VW sei Dank, fährt sich der California wie ein gewöhnlicher Personenwagen. Die Schräglenkerachse der T5/T6-Modelle wurde durch ein Mehrlenkerhinterachse ersetzt. Das bringt einen Zugewinn an Komfort. Man vergisst sogar, dass man in einem Wohnmobil sitzt. Angesichts der gemächlichen Fortbewegung fällt das aber kaum ins Gewicht.
Zusammen mit dem Doppelkupplungsgetriebe werden Leistungslöcher gekonnt kaschiert. Als Fahrer stelle ich mich schon nach kurzer Zeit auf die spezielle Antriebscharakteristik ein. Wird die volle Leistung gefordert, weil bergauf ein Reisecar oder eine Gruppe ungedopter Velofahrer überholt werden müssen, heisst es Pedal-to-the-Metal und Augen zu.
Sparsamer Turbodieseldirekteinspritzerlings
Generell muss man mit einem Wohnmobil mehr Überholstrecke einplanen als mit einem Sportwagen – dann klappt das auch mit dem Bulli ganz gut. Dass der Motor sich dafür mit dem Durst zurückhält (6,8 l/100 km), gehört wiederum zu den schönen Eigenschaften des Turbodieseldirekteinspritzerlings.
Bei uns in der Schweiz werden nur der obengenannte Selbstzünder und ein 150 kW/204 PS Benziner erhältlich sein. Beide bedienen ausschliesslich die Vorderräder des VW California. Wir sind skeptisch: Für gelegentliche Trackdays, um den Töff auf einem Anhänger mitzunehmen, dürfte das kein Problem sein. Doch wer die maximale Anhängelast von bis zu 1,6 Tonnen (2,0 Tonnen beim TDI) ausnutzt, sollte sich zweimal überlegen, ob das eine gute Idee ist. Mit den dadurch entlasteten Vorderhufen wird der Bulli nur so über den Asphalt scharren.
4Motion fliegt aus dem Sortiment
Bevor der 4Motion-Einwand kommt, nein, der beliebte Allradler wurde gestrichen. Nicht ersatzlos, denn VW bietet im kommenden Jahr die PHEV-Califonria-Version mit elektrischer Hinterachse an. Bei Bedarf wird so die Antriebskraft auf alle vier Räder verteilt. Doch schade, so ein Allrad mit 2,0-Liter-Selbstzünderaggregat und rund 200 PS vom Vorgänger-Bulli, war doch sehr beliebt. Das passte einfach zusammen, wie Einhorn und Regenbogen.
Allmählich macht es Freude
Wir könnten jetzt noch ein bisschen weinen oder uns einfach weiter unserem Untersatz mit Wohnung widmen. Dieser macht allmählich richtig Freude. Man hat alles dabei und könnte jederzeit anhalten und arbeiten. Oder besser einfach nur verweilen, sich in die Natur setzen. Das umliegende Alpenpanorama in voller Pracht geniessen, vielleicht oben auf dem Vrsic-Pass ein paar Schritte wandern. Halt, was rede ich da? Mutiere ich etwa schon zum Camper? Macht der California noch einen Naturburschen aus mir?
Am Fusse des Vrsic-Passes erinnert das Julius-Kugy-Denkmal an den österreichischen Juristen und Naturliebhaber. Vor rund 100 Jahren stand er wohl an gleicher Stelle und hat sich bestimmt nicht so kompliziert angestellt wie ich. Das gibt mir echt zu denken.
Eine Reise ins Ich
Der erste Übernachtungspunkt liegt inmitten eines Waldes entlang der rauschenden Soca. Am Campingplatz Lazar angekommen, ist mir weder nach Wandern, Rafting oder Velofahren. Vielmehr überlege ich, warum ich mich nur so widerwillig an diese Bedingungen anpassen will. Als Kind ging das doch auch ohne Probleme. Doch mit dem Alter kommen die Komfortzonen, die man bekanntlich nur ungern verlässt.
Man richtet sein Gemach ein
Der VW California hat Neigungssensoren, die helfen, das Auto waagrecht auszurichten. Anschliessend die Sitze der zweiten Reihe runterstellen, Matratze umklappen und wie daheim das Spannbettlacken überstülpen. Damit ich nicht noch von meinem eigenen Gemüffel ersticke, fahre ich noch das Aufstelldach hoch und öffne die Reisverschlüsse und – oh, ein Fliegengitter! Da hat VW an Waschlappen wie mich gedacht. Auf dem Abendprogramm stehen: Gemeinsames Grillieren, individuelles Zähneputzen (am Auto!), Schlafengehen. Und tatsächlich: Ich geniesse eine ruhige Nacht im Fahrzeuginneren.
Tag 2: Klappt doch ganz gut
Wow, so inmitten im Grünen aufzuwachen, das hat was. Man hört den Fluss plätschern, die pure Natur vor der Haustüre. Morgenkaffee im Auto: Check. Zähneputzen: Check. Duschen auf dem Campingplatz: Mir graut’s. Ich gehe vom Schlimmsten aus und denke an eine sanitäre Anlage wie im Film Trainspotting (The Worst Toilet in Scotland). Aber welch Überraschung: Die Duschen sind sauber. Zwar nicht Hotel-Niveau, aber sauber. Mann, was stelle ich mich eigentlich immer so an? Klappt doch ganz gut.
Rasch wieder startbereit
Bett einklappen und Dachzimmer einfahren: Unser VW California ist rasch wieder startbereit: Es geht weiter Richtung Meer. Ziel ist das Landgut Monte Rosso (und der dortige Wein) in Kroatien. Wie vor jedem Fahrtantritt tanzen wir erst den Deaktivierungssamba – von Geschwindigkeitspieps bis Lenkrad-Übergriffe. Das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit lasse ich mir nicht durch mahnende Glockenschläge des Verkehrszeichen-Verwechslers trüben, nur weil dieser mal wieder die falsche Höchstgeschwindigkeit-Tafel erkannt haben will. Das nervige Korrigieren am Ruder ist generell unangenehm und stört die Reise-Harmonie.
Entspannt hinterm Lenkrad
Es herrscht reger Verkehr mit vielen anderen Campern Richtung Zwischenziel, dem Eisenbahnviadukt in Borovnica. Ich entspanne hinterm Lenkrad und lasse mich von den lahmen Schnecken mit ihren noch schneckigeren Schneckenhäusern nicht mehr ärgern.
Der Roadtrip geht auf wunderschönen Strassen weiter, vorbei an der Quecksilbermine in Idrija, der ältesten Bergbaustadt Sloweniens. Das leuchtende und giftige Edelmetall wird von hier aus in die ganze Welt exportiert. Anschliessend besuchen wir die Höhlenburg Predjama, ein UNESCO-Weltkulturerbe, das vor rund 800 Jahren in eine steile, 123 Meter hohe Felswand gezimmert wurde. Mindestens genauso imposant ist das Höhlensystem unter der Burg. Das Wunderwerk ohne Jacke zu betreten, wird ziemlich uncool, weil ziemlich frisch.
Langsam kommt der Hunger und wir kehren ein im Gästehaus Green Istria. Neben regionaler Kulinarik, von Feigen, Trauben und anderen Schlemmereien, geniesst man hier eine sensationelle Aussicht bis ans Meer. Der Inhaber Andrej hat seine Gästezimmer mit antikem Mobiliar eingerichtet – ohne WLAN, ohne Strom. Digital Detoxing: Wäre doch auch mal eine Challenge, denke ich mir … Sowas hätte ich mir noch vor 48 Stunden nicht mal im Ansatz überlegt. Ja, so eine Camping-Reise macht was mit einem.
Unsere Reise führt uns weiter in den Salinenpark von Piran, wo das Salz immer noch in Handarbeit gewonnen wird, ehe wir das letzte Teilstück über die Grenze nach Kroatien fahren. Mit Blick auf die italienische und slowenische Uferpromenade essen wir unser letztes Abendmahl. Anschliessend klettere ich ins Aufstellbett und schlafe zufrieden ein.
Tag 3: Lustig ist das Vagabundenleben
Am Morgen nach einem Espresso mit drei Zucker, geht es zurück zur Fahrzeugabgabe. Ich bin total überrascht, wie viel Freude mir das kurze Vagabundenleben gemacht hat.
Ich liebe jetzt schon fast Camping, Camper, Campingplätze, Campingstühle und finde Dachzelte, Ravioli aus dem Gaskocher, Khaki-Hosen mit tausend Taschen und Lagerfeuer richtig praktisch. Ich kauf mir jetzt nicht sofort einen California Ocean (man kann die auch bei der AMAG mieten), aber ich muss meine Meinung stark revidieren: Campen kann richtig viel Spass machen! Vor allem mit dem richtigen Möbel wie der VW California Ocean – Sun of a Beach.
Fazit:
Der VW California Ocean ist für eine, vielleicht zwei oder maximal drei (nette) Personen ein tolles Vehikel. Klar, er ist keine Drei-Zimmer-Wohnung, aber für einen spontanen, interessanten Ausflug das richtige Reisemittel.
Das fahrende Hotelzimmer hat seinen Preis. Zum Marktstart lancieren die Hannoveraner das New Califonia Liberty (Nettomodell) ab 55'800 Franken für den Beach und rund 69'000 Franken Einstiegspreis für den Ocean. Eingecheckt werden kann ab Oktober.
Text: GAT
Bilder: VW