

Alpine - Schneller Franzose im Massanzug
Ein «Wow» bei einem Stromer? Eher selten. Vielleicht noch bei der A290. Jetzt kommt ihre schicke Cousine – die A390. Mehr Leistung, mehr Motoren, mehr Drama – leider auch mehr Gewicht.
Nun also: Bonjour, Alpine A390. Ein Sportfastback mit Allrad, drei Motoren und einem Kleid, das zwischen Haute Couture und Motorsport changiert. Klingt nach der Zukunft. Aber ist es das auch? Ein bisschen Haute-Voltaire, ein bisschen Le Mans. Alpine nennt ihn «Rennwagen im Massanzug» – was ungefähr so ist, als würde man Alain Prost in Smoking und Turnschuhen ins Berghain schicken. Doch irgendwie passt das Bild: Die A390 gibt sich sportlich, aber gesellschaftsfähig. Alltagstauglich, aber mit 808 Nm auf der Lauer. Ein Auto für Leute, die unter der Woche Kinder transportieren und am Wochenende die Ideallinie suchen – naja, wenigstens so tun als ob.
Der erste Gedanke: Nicht schlecht! Der zweite: Wie schwer ist die feisse Mamma nochmal? Über 2,1 Tonnen bringt die A390 in ihrer GTS-Version auf die Strasse. Das ist ordentlich und wiegt fast so viel wie zwei A110 zusammen. Aber sagen wir, mal wenigstens gut verteilt. Die Franzosen reden sich das schön mit 49:51-Gewichtsverteilung und einem «gefühlten» Leichtbau. Das wird auch sicher erstaunlich gut funktionieren, dank aktivem Torque Vectoring, cleverem Fahrwerks-Setup und Michelin-Spezial-Wunder-Zaubergummis. Im Ernst: Sie haben alles drangesetzt, dass man die Masse nicht spürt. Manchmal gelingt das.
Technikporno auf französisch
Drei Motoren (cool), Launch Control mit Animationen (hä?), Rekuperation per Formel-1-Knopf am Lenkrad (schick), Overtake-Boost wie aus einem Videospiel (nett). Alpine hat sich gedacht: Wenn schon elektrisch, dann wenigstens mit Feuerwerk. Die Devialet-Soundanlage spielt mit 13 Lautsprechern die grosse Bühne – und wenn man will, lässt man den A390 beim Losfahren klingen wie ein gedämpfter A110. Oder wie eine Rakete kurz vor dem Countdown. Hauptsache: keine Stille. Wir winken ab.
Aber braucht’s das alles?
Vielleicht nicht. Aber es scheint Spass zu machen. Und das ist ja selten genug geworden in dieser Gattung. Während andere Hersteller gerade den "SUV der Vernunft" neu denken, baut Alpine ein Fahrzeug, das sich anfühlt wie ein Geschenk an die Fahrer – nicht an die Flottenmanager. Endlich wieder ein Auto, das Emotionen liefern will, statt nur CO2-Bilanzen und fesche Reichweiten.
Wir fragen uns jedoch stets: Ist das noch Alpine? Die Leichtbau-Brüder, die die Marseillaise pfeifend Kurvenskalpelle auf Räder herstellten? Die puristische A110 war ein leichter Tänzer, die A290 ein sportlicher(er) City-Flitzer – die A390 ein ballernder Akrobat mit stylischem Helm? Alpine muss jetzt beweisen, dass sie mehr sind als Retro-Glam mit Renault-Technik machen. Der Spagat zwischen Leichtfüssigkeit und elektrischer Schubkraft ist riskant. Aber hey – wenigstens probieren sie es. Und tun nicht so, als wäre «Elektro» automatisch das Synonym für Belanglosigkeit.
Die A390 ist sicher nicht perfekt. Sie ist zu schwer, zu komplex, zu teuer (vermutlich). Aber sie ist etwas anderes: Ein Beweis, dass Fahrspass auch elektrisch geht, ohne dass man dafür auf jedes bisschen Stil, Seele und Spass verzichten muss. Wer Alpine kennt, wird sich über dieses Comeback freuen. Wer Alpine nicht kennt, wird sagen: «So sollte Elektro sein.» Und ganz ehrlich? Wenn man schon elektrisch fahren muss – dann bitte so.
Text: GAT
Bilder: Alpine