Goodtimer der Woche

Chromjuwel: Jaguar S.S.1 Tourer 2.5

Dieser S.S.1 ist kein normaler Oldtimer, es ist ein fahrendes Kunstwerk. Und ein Meilenstein der Automobilgeschichte. Denn beim S.S.1 handelt es sich um den allerersten Jaguar, auch wenn er 1936 noch anders hiess. Dieser Tourer ist noch spezieller, weil es sich um ein viersitziges Cabriolet handelt, von dem nur hundert Exemplare gebaut wurden.

Veröffentlicht am 16.05.2025

Sir William Lyons gilt als Gründungsvater von Jaguar. Schon als 21-Jähriger gründete er 1922 seine erste Firma; die Swallow Sidecar Company, die elegante Motorrad-Beiwagen herstellte. Nur wenige Jahre später baute Swallow bereits Karosserien für verschiedene Automarken und zügelte 1928 nach Coventry in eine grössere Werkhalle. Das Geschäft lief. 

Standard Swallow

William Lyons wollte aber nicht länger nur Kleinwagen und Alltagsautos für Austin, Morris und Fiat bauen, sondern suchte sich einen Hersteller zur Produktion besonders flacher Chassis mit langem Radstand, auf die er eine atemberaubende Karosserie setzen wollte. Schliesslich willigte die Automobilfirma Standard ein, ein solches Chassis in Serie zu bauen. Weil man sich bei der Namensgebung nicht einigen konnte, ob zuerst Standard oder Swallow auf dem gemeinsamen neuen Auto genannt werden sollte, kam es zum Kompromiss “SS Cars Limited”. 

Warum nicht Lyons?

Wer ein bisschen mit der Geschichte des letzten Jahrhunderts vertraut ist, sieht bereits die aufkeimenden Probleme, welche sich aus der Namensgebung ergaben. Denn in Deutschland wurde 1925 eine Schläger-Gruppe mit dem Kürzel “SS” als Hitlers persönliche “Leib- und Prügelgarde” gegründet. SS wurde zum Synonym des absolut Bösen. Deshalb bekam die SS Cars Limited nach dem Zweiten Weltkrieg auch einen neuen Namen, der exemplarisch für die schnellen, edlen Autos stehen sollte: Jaguar. Ironischerweise hiess auch ein Jagdpanzer-Projekt der Waffen-SS “Jaguar”. Noch absurder finden wir, dass der Gründer der Firma ja Lyons hiess, aber sein Auto nicht Löwe nennen wollte, sondern Jaguar. 

Wie ein Rolls-Royce, nur günstiger

Wie auch immer: 1931 kam der S.S.1 auf den Markt und wurde bis 1936 gebaut. Es war ein voller Erfolg. 4250 Exemplare verkaufte die SS Cars Limited in fünf Jahren von ihrem ersten Fahrzeug, das es in verschiedenen Karosserieformen gab. Mit seinem 2.5 Liter Reihen 6-Zylinder fuhr schon der erste Jaguar bis zu 125 km/h schnell – und das zum halben Preis eines Rolls-Royce. 

Kunstwerk oder Zeitmaschine?

Dieser S.S. One Tourer ist sogar noch spezieller als es das Modell ohnehin schon ist. Es handelt sich nämlich um die wohl coolste Variante des S.S.1. Das viersitzige Cabriolet wurde zwischen 1933 und 1936 nur hundert Mal produziert. Egal, aus welchem Winkel man dieses Auto betrachtet – es ist ein fahrendes Kunstwerk, das nicht nur zwei, sondern sogar vier Personen die Zeitreise geniessen lässt.   

Von London nach San Francisco nach Hamburg

Das Auto mit der Chassis Nummer 19023 wurde am 17. März 1937 erstmals in London registriert, wo es bis 1967 beim selben Besitzer, einem Familienmitglied der Reederei Harrison Shipping Line, blieb. Dann wurde der Tourer nach San Francisco an seinen neuen Besitzer verschifft, wo das Auto bis 1990 verblieb. Dann kam der Tourer wieder nach Europa.

Der Hamburger Geschäftsmann liess das Auto durch Mirbach komplett restaurieren. Und verkaufte es 1995 an den heutigen Besitzer, der bereits einen S.S.100 besass, aber ein Auto haben wollte, das er mit der ganzen Familie geniessen konnte. In den Folgejahren wurden nochmals 100'000 Franken in die Auffrischung der bereits restaurierten Basis investiert, um aus diesem Tourer ein Concours-fähiges Exemplar zu machen. Darum ist der Lack in makellosem Glanz, ohne Kratzer oder Einschlüsse. Auch das Interieur ist wie aus dem Laden. Vom Leder bis zu den Teppichen, dem Verdeck und den Steckscheiben wurde alles komplett restauriert. 

Natürlich wurde auch am Motor gearbeitet und bei Meilenstand 0’0568 komplett revidiert. Seither ist die rollende Skulptur lediglich 4’000 Meilen gefahren. 

Goodtimer.ch Tipp:

“Nur wenige Automobile erlauben es gleich vier Personen, offen eine Zeitreise in die 30er Jahre zu machen. Mit diesem Exemplar hat man ein fahrtüchtiges Sammlerobjekt ohne den geringsten Investitionsbedarf. Ein wahres Schmuckstück und ein Meilenstein der Automobilgeschichte”.  

Text: Jürg Zentner 

Bilder: Christian Lienhard (lienhardbildwerke.ch

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