Berufliche Angewiesenheit - Teil 2
Im ersten Teil behandelten wir das Thema Berufliche Angewiesenheit auf den Führerschein mit Blick auf Berufsfahrer. In Teil zwei richten wir den Blick nun auf drohenden Ausweisentzug bei Privatfahrern.
Im ersten Teil behandelten wir den Fall von Leo, der seinen Führerausweis für einen Monat abgeben musste. Er fuhr innerorts in einer 30er-Zone mit netto 54 km/h. Ab April 2023 gibt es zusätzliche Erleichterungen: Das Strassenverkehrsamt kann neu den Ausweisentzug auf Privatfahrten beschränken. Das heisst, wenn jemand aus beruflichen Gründen auf das Autofahren angewiesen ist, dann ist dies unter bestimmten Umständen trotz Ausweisentzig möglich. Es soll damit verhindert werden, dass jemand den Job verliert, weil er oder sie den Führerausweis abgeben muss.
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Die Voraussetzungen dafür hängen von der Schwere der Tat und der Vorbelastung ab: Nur bei leichten Fällen kommt das neue Recht zur Anwendung. Zudem darf der Führerausweis in den vorangegangenen fünf Jahren nicht mehr als einmal entzogen worden und der Entzug darf nicht auf unbestimmte Zeit oder für immer erfolgt sein. Und schliesslich muss man auf das Führen eines Fahrzeugs aus beruflichen Gründen angewiesen sein (siehe dazu Teil eins).
Drei Voraussetzungen
Bei mittelschweren oder schweren Fällen klemmt der Kolben jedoch bereits. Mittelschwere Fälle führen zu einem mindestens einmonatigen und schwere zu einem mindestens dreimonatigen Führerausweisentzug. Leichte Fälle demgegenüber führen in der Regel lediglich zu einer Verwarnung. Konkret heisst das, dass wer innerorts netto mit 21, ausserorts mit 26 oder auf der Autobahn mit 31 km/h zu schnell unterwegs ist, kann von der neuen Regelung nicht profitieren und muss den Ausweis auch für geschäftliche Fahrten abgeben.
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Die zweite Voraussetzung betrifft die fünf Jahre ohne Ausweisentzug. Landläufig herrscht die Meinung vor, dass zwischen den beiden Vorfällen mindestens fünf Jahre liegen müssen. Dem ist leider nicht so: Diese fünf Jahre rechnet man zurück und zwar vom aktuellen Vorfallsdatum. Der Führerausweis darf somit in diesen fünf Jahren nicht entzogen worden sein. Entscheidend ist somit nicht das Datum des letzten Vorfalls, der zu einem Ausweisentzug führte, sondern diese fünf «wartungsfreien» Jahre. Oder andersrum ausgedrückt: Musste jemand bereits einen Ausweisentzug über sich ergehen lassen, dann ist entscheidend, wann er oder sie den Ausweis zurückerhalten hat. Sind von diesem Datum an mindestens fünf Jahre bis zum aktuellen Vorfall abgelaufen, ist man aus dem Schneider
Kein unbefristeter Ausweisentzug
Und schliesslich darf der Führerausweis nicht für unbestimmte Zeit oder für immer entzogen worden sein. Dies ist dann der Fall, wenn sich jemand mehrere schwere Verstösse zu Schulden kommen lässt oder bei medizinischen Gründen, Alkoholabhängigkeit oder Drogensucht, die die Fahreignung ausschliessen. Hätte das neue Gesetz Leo geholfen? Zwar war Leo nicht mit einem Ausweisentzug vorbelastet. Das heisst, die Voraussetzung der fünf Jahre ohne Zündaussetzer erfüllte er ebenso wie, dass kein Entzug auf unbestimmte Zeit vorliegt. Leo fuhr hingegen innerorts netto 24 km/h zu schnell. Das ist zwar schnell passiert, wenn man innerorts die 30-er-Zonen nicht kennt, aber stellt keinen leichten, sondern bereits einen mittelschweren Fall dar. Die Anwendungsmöglichkeit des Ausweisentzugs nur für private Fahrten ist somit beschränkt. Aber immerhin gibt es sie und die Richtung zur Entlastung des strengen Schweizer Strassenverkehrsrechts stimmt.
Robin Road wünscht allen weiterhin eine gute Fahrt!
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Text: Dr. Rainer Riek alias Robin Road
Bild: ai-Archiv