Der ultimative Sportwagen wird 50
Von “Cannonball-Run” über "Wolf of Wall Street" bis “House of Gucci”: Der Lamborghini Countach hatte schon viele legendäre Filmauftritte. Das liegt daran, dass er den Archetyp eines Supersportwagens der 1970er und 1980er Jahre verkörpert. Und selbst nach 50 Jahren immer noch so aussieht, als hätten ihn Ausserirdische auf der Erde vergessen.
Scherentüren, V12-Mittelmotor und ein kantiges Design, das so scharf ist, dass man sich daran schneiden kann. Der Lamborghini Countach war das ultimative Auto in den 1970er und 1980er Jahre. Entworfen hat es der im März dieses Jahres verstorbene Designer Marcello Gandini, aus dessen Feder viele legendäre Sportwagen stammen: vom Lamborghini Miura über den Alfa Romeo Montreal bis zum Lancia Stratos.
Kungtatsch, boah!
Der Lamborghini Countach LP 400 (LP steht für längs eingebauten V12-Motor) war beim Erscheinen 1974 wie ein Ding aus einer anderen Welt, etwas Unerreichbares – ein Traumauto eben. Wie ein mystisches Wesen, liess auch der Name “Countach” viele Aussprachen und Interpretationen zu. Laut Wikipedia wird es “Kungtatsch” ausgesprochen, was ein piemontesischer Ausdruck für Begeisterung wie etwa “geil”, “boah” oder “wahnsinn” sei. Also genau das, was man sagt, wenn man den Countach auf der Strasse sieht. Und zwar jedesmal.
Der Lamborghini Countach verkörperte in den 1970er und 1980er Jahre alles, was Kinder an Autos faszinierte: Er sah mit den lustigen Scherentüren, der tiefen Höhe von 1,07 Meter und den vielen Flügeln und Schlitzen aus wie ein Spielzeug – einfach ein sehr schnelles. Der Countach war die Trumpfkarte in jedem Auto-Quartett, das Ass der Asse – the Ace of Spades.
Fitness und Sauna
Zwar war die Ära der kantigen Autos 1974 bereits angebrochen, aber der Countach war so kompromisslos schnittig, dass er zur Ikone wurde. Heiss war nicht nur das Auto optisch, sondern auch physisch. Wegen der riesigen Frontscheibe, dem Getriebe an der Seite und dem brüllendem Motor im Heck, wurde man darin regelrecht gekocht und gegrillt. Und das, während man eine Kupplung zu bedienen hatte, die so bretterhart war, als müsste man einen piemontesischen Marmorblock verschieben. Die Fitness und die Sauna brauchte man als Training, um überhaupt in das Auto ein und aussteigen zu können bzw. zu klettern. Der Schweller war so breit wie die Berliner Mauer; die Sitze eng und klamm wie ein lederner Schraubstock.
Rückwärtsfahren? Fehlanzeige
So atemberaubend es war, das Auto vorwärts zu bewegen, umso unmöglich war es, damit rückwärts zu fahren. Als hätte man diese Option in Sant'Agata del Bolognese einfach vergessen im Sinne von … “Rückwärtsfahren ist etwas für Leute, die sich dieses Auto nicht leisten können.” Dafür musste man nämlich die Scherentüren öffnen und auf den Schweller hocken, wenn man etwas sehen wollte. Oder man fuhr einfach nach Gehör. Ein bisschen so wie Leonardo DiCaprio in “The Wolf of Wall Street”, der ein weiteres Feature dem Kult um den Countach hinzu fügte: Das sich zugedröhnt von den Scherentüren hochziehen lassen.
50 Jahre ist es her, als der erste Lamborghini Countach LP400 in Sant’Agata Bolognese vom Platz rollte. Der Supersportwagen wurde in vier verschiedenen Varianten von 1974 bis 1990 hergestellt. Nimmt man alle Versionen der Baureihe zusammen, so entstanden 2000 Serien-Countachs.
Der Countach bedeutete auch für Lamborghini einen Paradigmenwechsel – von der Manufaktur zum Serienhersteller von Automobilen. Der Countach war das erste Modell, dessen Karosserie bei Lamborghini in einer Montagelinie gefertigt wurde. Ganz wie am Fliessband ging es dann doch nicht: Die Blechteile wurden von Hand geformt und die Innenausstattung wurde von der werkseigenen Sattlerei gefertigt. Das ist bei Lamborghini auch 50 Jahre später immer noch Tradition.
Um dieses Jubiläum zu feiern, hat Lamborghini den allerersten Countach LP 400 zurück an die Montagelinie gebracht, auf der heute der Lamborghini Revuelto gefertigt wird.
Text: Jürg Zentner
Bilder: Lamborghini