Amerika gegen Europa

EPA vs. WLTP – Duell der Testverfahren

EPA (Environmental Protection Agency) gegen WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure). Zwei Testverfahren, ein Ziel: Realistische Verbrauchsangaben von Fahrzeugen. Welches ist besser?

Veröffentlicht am 28.12.2024

Der alte NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) war das perfekte Verkaufsargument: Autos verbrauchen auf dem Papier so wenig, dass man beim Tanken fast noch Geld zurückbekommen müsste. Es war ein standardisiertes Testverfahren zur Ermittlung von Verbrauchs- und Emissionswerten, das von den 1980er-Jahren bis 2018 in Europa verwendet wurde. Der Test bestand aus zwei Phasen – einer Stadt- und einer Überlandfahrt – mit unrealistisch niedrigen Durchschnittsgeschwindigkeiten und kaum praxisrelevanten Beschleunigungs- oder Last-Situationen. Kritisiert wurde er vor allem, weil die ermittelten Werte oft weit von den tatsächlichen Verbrauchsdaten abwichen, was zu seiner Ablösung durch den WLTP führte. 

Kurz: Der NEFZ war einfach nicht mehr zeitgemäss und hatte wenig mit dem echten Autofahrer-Leben zu tun.

Daraufhin wurde 2017 der WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) in Europa Standard, um Verbrauchs- und Emissionswerte realistischer und weltweit vergleichbarer zu machen. Der Test umfasst verschiedene Geschwindigkeitsbereiche (niedrig, mittel, hoch, sehr hoch), realistische Beschleunigungsprofile und längere Teststrecken. Trotz Verbesserungen spiegelt der WLTP die realen Fahrbedingungen nicht vollständig wider, aber immer noch besser als die idealisierten NEFZ-Werten.

Kurz: Der WLTP ist näher an der Realität, aber die echte Strasse bleibt noch ein Stück weit entfernt.

Wie sieht es in Amerika aus? In den USA setzt man auf den EPA-Zyklus (Environmental Protection Agency). Dieser wurde entwickelt, um möglichst praxisnahe Verbrauchs- und Emissionswerte zu ermitteln. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, den realen Fahrbedingungen zu entsprechen. Er umfasst keine Geschwindigkeitsbereiche, sondern territoriale Unterteilungen wie Stadt-, Autobahn- und Mischzyklen.

Unterschiede im Verbrauch

Die Verbrauchswerte nach EPA fallen in der Regel höher aus als nach WLTP, da der amerikanische Test strenger ist und mehr Einflussfaktoren berücksichtigt. Zum Beispiel werden bei EPA stärkere Beschleunigungen und der Einsatz der Klimaanlage berücksichtigt, was sich auf den Verbrauch auswirkt.

Alltagsrelevanz

Aufgrund der Korrekturfaktoren kommt der EPA-Zyklus den realen Verbrauchswerten oft näher. Für Käufer in den USA sind die Werte hilfreicher, um den echten Kraftstoffbedarf einzuschätzen.

WLTP ist eine Verbesserung im Vergleich zum NEFZ, aber die Werte können in der Praxis immer noch unterschritten werden, besonders bei hohen Autobahngeschwindigkeiten oder extremer Witterung.

Fazit

Beide Verfahren haben ihre Stärken. Der EPA-Zyklus ist strenger und bietet praxisnahe Werte, jedoch ist er auf die USA ausgerichtet. WLTP ist ein international standardisiertes Verfahren, das die Vielfalt des globalen Fahrverhaltens besser abbildet. Letztlich sollte man beide Werte als Orientierung betrachten und sich bewusst sein, dass der tatsächliche Verbrauch stark vom individuellen Fahrstil und den Einsatzbedingungen abhängt.

Besonderheit PHEV

Der Vergleich zwischen dem amerikanischen EPA-Zyklus und dem WLTP im Bezug auf Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge (PHEVs) zeigt einige interessante Unterschiede in der Bewertung von Reichweite, Verbrauch und Effizienz:

Rein elektrische Reichweite

EPA-Zyklus: Die elektrische Reichweite von PHEVs wird unter realistischeren Bedingungen gemessen, einschliesslich höherer Geschwindigkeiten und aggressiverer Fahrweise.

Die Reichweite fällt in der Regel geringer aus als nach WLTP, da der Zyklus Faktoren wie Klimaanlage, stärkere Beschleunigungsphasen und reale Geschwindigkeiten berücksichtigt.

WLTP: Die Reichweite nach WLTP wird in einem idealisierten Szenario ermittelt, mit gleichmässigeren Geschwindigkeiten und optimierten Lastbedingungen.

Dies führt oft zu deutlich längeren angegebenen Reichweiten, die in der Praxis schwer zu erreichen sind. Aber halt toll klingen und in manchen Ländern zu steuerlichen Vorteilen führen.

Verbrauch und CO?-Emissionen

EPA-Zyklus: Der Fokus beim Verbrauch liegt im kombinierten Betrieb (elektrisch + Verbrenner) und wird dadurch strenger bewertet. Wenn der Verbrennungsmotor häufiger zugeschaltet wird, ergibt sich automatisch ein höherer Kraftstoffverbrauch und eine höhere CO?-Emission. Dadurch spiegeln die Werte den realen Fahrbetrieb besser wider. Vor allem für Nutzer, welche die elektrische Reichweite nicht vollständig ausnutzen können.

WLTP: Der WLTP bewertet den Kraftstoffverbrauch unter der Annahme, dass die Fahrt rein elektrisch begonnen wird. Dies kann zu unrealistisch niedrigen Verbrauchs- und CO?-Werten führen, besonders wenn das Fahrzeug regelmässig über seine elektrische Reichweite hinaus genutzt wird oder mit leerer Batterie gefahren wird. PHEVs werden hier oft als «besonders effizient» ausgewiesen und erreichen schon mal Verbrauchswerte unter einem Liter Kraftstoff, was mit der Realität mal so gar nix zu tun hat.  

Ladeverhalten und Energieeffizienz

EPA-Zyklus: Berücksichtigt sogar den Energieverbrauch beim Laden (Ladeverluste) und bewertet daher auch die Effizienz des Gesamtsystems strenger. Elektroverbrauch wird in kWh pro 100 Meilen angegeben, was eine klare Vorstellung vom Energiebedarf gibt. Eine Meile entspricht ungefähr 1,61 Kilometer, falls Sie sich das gerade fragen…

WLTP: Das Ladeverhalten spielt im WLTP weniger eine Rolle, und Ladeverluste werden nicht direkt berücksichtigt. Der Verbrauch wird in kWh/100 km angegeben, jedoch unter optimierten Bedingungen, was den Energiebedarf leicht unterschätzen kann.

Alltagsrelevanz

EPA-Zyklus: Die EPA-Werte für PHEVs kommen der Realität meist näher, insbesondere in Ländern mit variierenden Geschwindigkeiten, langen Pendelstrecken und begrenzten Lademöglichkeiten. PHEV-Fahrer in den USA können die Reichweite und Effizienz realistischer einschätzen.

WLTP: Die WLTP-Werte sind idealisierter und gehen von einer optimalen Nutzung des elektrischen Antriebs aus. Für Fahrer, die hauptsächlich im Verbrennerbetrieb unterwegs sind, können die WLTP-Werte erheblich von der Realität abweichen.

Fazit

Der EPA-Zyklus liefert für PHEVs praxisnahe Werte und deckt Schwächen bei begrenzter elektrischer Reichweite und Ladeverhalten besser auf.

WLTP zeigt optimistische Ergebnisse, die von Herstellern gerne als Verkaufsargument genutzt werden, aber in der Realität oft nicht erreicht werden.

Für PHEV-Käufer sind die EPA-Werte definitiv ein besserer Massstab, wenn es um realistische Reichweite und Effizienz geht. Die WLTP-Werte können als «Best-Case-Szenario» verstanden werden, das auf maximaler Nutzung der elektrischen Reichweite basiert. Da bei Leasing-Firmen viele PHEVs mit originalverpackten Ladekabel zurückgegeben werden, scheint es hier mehr Erklärungsbedarf zu geben.

Text: GAT

Bild: Tesla/ai

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