Luis, die legendäre GT-Corvette
Es gibt Showcars, die nur Racing mässig aussehen. Und es gibt echte Racing-Cars, die aber keine Strassenzulassung haben. Aber sowas wie Luis, die Corvette C2 mit Jahrgang 1967, gibt es selten: Ein FIA Racing-Car mit Schweizer Strassenzulassung.
Schon für eine normale Corvette C2 würden viele Autofans töten. Das Design ist einfach zum Niederknien. Die Silhouette gleicht einem Stachelrochen, woher auch die Bezeichnung “Sting Ray” kommt. Dem legendären US-Autodesigner Bill Mitchell soll die Idee beim Hochseefischen gekommen sein. „Lasst sie aussehen, als könnten sie einem was antun!“
Zwischen 1962 und 1967 wurden knapp 120’000 Corvette C2 hergestellt, die meisten davon als Cabrio. Noch spektakulärer sieht jedoch die Coupé-Version aus, allen voran die 1963 entstandene Split-Windows-Serie. 1965 wurden in der C2 zum ersten Mal die sogenannten „Big Block“-V8-Motoren verbaut; anfangs mit 6,5 Litern und ab 1966 mit 7,0 Litern Hubraum.
Als die vorliegende Corvette C2 1967 als ganz normaler Strassenwagen die Werkshallen in St.Louis/Missouri verliess, ahnte der oder die damalige Besitzer/in wohl kaum, dass sein oder ihr Auto eines Tages Renngeschichte schreiben würde. Über die Erstbesitzer ist leider nichts bekannt. Dokumentiert ist die Historie der C2 erst ab 1986, als sie nach Deutschland exportiert wurde. Dort war für die C2 eine herkömmliche Oldtimer-Restaurierung vorgesehen. Doch auf halbem Weg entschied man sich anders.
Wöhr & Ciccone Umbau
1989 wurde die C2 von Wöhr & Ciccone gekauft und professionell zum GT-Rennfahrzeug aufgebaut. Wie Corvette-Fans wissen, gründeten Ernst Wöhr und Giovanni Ciccone mit Reeves Callaway 1994 die Callaway Competition GmbH – dem Corvette-Tuner schlechthin. Die C2 wurde von Wöhr und Ciccone nicht etwa zum Showcar umgebaut, sondern für den Einsatz auf der Rennstrecke. “Verstärkt wurde bei der C2 damals das Chassis, es wurde für bessere Kühlung gesorgt, Streben und Käfig verbaut sowie weitere Kleinigkeiten”, weiss der heutige Besitzer. Was blieb, ist das Original-Getriebe mit der klassischen Viergang-Schaltung.
Jim Jones zauberte das Herzstück
Um das Herzstück kümmerte sich der legendäre Motorenbauer Jim Jones, der Besitzer von Traco in Kalifornien, höchstpersönlich. Wöhr und Ciccone entschieden sich für einen Small-Block-Motor wegen der besseren Gewichtsverteilung, was sich auf der Rennstrecke als grosser Vorteil herausstellte. Die Fahrwerksteile kauften sie bei Jim Jones' Nachbar Dick Guldstrand, einem der erfolgreichsten Corvette Racer der 1960er Jahre.
Mit Herbert Schürg zum Rennerfolg
Am Steuer der Renn-Corvette sollte der Rennfahrer Herbert Schürg Platz nehmen. Der Rennfahrer arbeitete früher bei Fiat/Lancia als Ingenieur und baute dort im Werk ebenfalls Rallye-Autos auf. Das Trio Wöhr, Ciccone und Schürg waren sehr stolz auf die umgebaute Corvette und gab ihr den Namen Luis.
Nix da mit Schongang
1991 ging Schürg mit Luis auf die Rennstrecke. Das erste Rennen fand in Monza statt. Die Konkurrenz, bestehend aus Ferraris, Jaguars, TVR Griffiths und Ford Cobras, war sehr stark. Es wurden Geschwindigkeit von über 280 km/h erreicht, Umdrehungen bis 8000 U/min waren kein Problem. Luis metzgete sich in ihrem ersten Rennen sehr gut – Herbert Schürg beendete das Rennen auf dem 5. Platz. Die C2 begeisterte auch das Publikum, allen voran Sergio Scaglietti – ja genau der Scaglietti, der sein Karrosserie-Unternehmen 1975 an Ferrari verkaufte. Er wollte Luis vom Fleck weg kaufen. Aber Wöhr und Ciccone winkten ab. Sie hatten mit Luis noch einiges vor.
Herbert Schürg schlug bei Vintage GT-Rennen die wesentlich leichteren Fahrzeuge, weil Luis vollgetankt mit 52 % die bessere Gewichtsverteilung hatte. Driften wurde zu einer ihrer grössten Stärke. So fuhren Herbert und Luis von Sieg zu Sieg. 1991 und 1992 gewannen sie hintereinander den Vintage GT-Championship und auch zweimal die Eifel-Klassik auf der Nordschleife.
Goodwood, Le Mans und Nürburgring
Luis wurde 1997 von Uli Berberich-Martini erworben und nochmals komplett restauriert. Sie startete frisch gebürstet erfolgreich bei verschiedenen Oldtimer Rennen, unter anderem auch in Le Mans. Mit Jochen Maas am Steuer, fuhr Luis am legendären Goodwood Revival 1999 auf den dritten Platz.
Nach Goodwood wurde Luis von Callaway nochmals bis auf die Grundmauern auseinandergenommen, sandgestrahlt, neu lackiert und komplett neu aufgebaut. Auch die Streifen sind keine Kleber, sondern lackiert. Bis 2006 war die C2 immer wieder an Oldtimer-Grand-Prix auf dem Nürburgring vorne mit dabei – auch als Publikumsliebling.
2019 kam Luis in die Schweiz
2019 ging die C2 an den heutigen Besitzer, einen Zürcher Bauunternehmer, der die Tradition des legendären Racing-Cars hoch hält. “Ich war damit bereits an vielen Oldtimer-Events und Vintage-Veranstaltungen wie Lenzerheide, etc.” Die Corvette ist nicht nur von der FIA für die Rennstrecke zertifiziert, sondern hat auch eine Strassenzulassung. Dafür erhielt der 60-jährige Besitzer Unterstützung vom Schweizer Corvette-Guru, Hebis Powergarage in Rorbas. “Wir haben dank Hebis Know-how und seiner Erfahrung schliesslich eine Strassenzulassung in der Schweiz erhalten.”
Kurz: Die Corvette C2 ist in einem einzigartigen Zustand und jederzeit bereit, auch Vollgas auf der Piste zu geben. “Sie ist schlicht herrlich zu fahren. Sie hat Dampf ohne Ende und ist relativ einfach zu beherrschen, wenn man die Leistung im Griff hat. Natürlich, sie ist kein moderner Rennwagen, aber genau das macht sie aus. Sie fordert eine andere Fahrweise, gerade weil sie mit dem Gas lenkbar ist.” Ob er keine Angst hat, das Unikat in die Leitplanken zu stellen? “Ich fahre seit 37 Jahren Autorennen und kann mich zügeln. Aber ich finde es wichtig, dass solche Autos, die für Rennen gebaut worden sind, auch auf der Rennstrecke bewegt werden.”
Text: Jürg Zentner
Bilder: Christian Lienhard (lienhardbildwerke.ch)