Porsche 911 GT3 RS – Sechs Highlights
Im 992er Porsche 911 GT3 RS steckt mehr Rennwagen als jemals zuvor. Wir zeigen Ihnen in sechs Punkten, dass das kein leeres Versprechen ist. Test im bisher extremsten Strassen-Porsche.
Rennwagen mit Strassenzulassung ist ein Begriff, den wir Autojournalisten gerne inflationär verwenden. Beim Porsche 911 GT3 RS der aktuellen Generation 992 könnte er jedoch treffender nicht sein. Wo man in einem normalen GT3 den Alltag mit Abstrichen noch meistern kann, ist beim RS (fast) alles auf Rennsport ausgelegt. Fahrt und Highlights im Überblick!
1. Aerodynamik
Man sieht es auf den ersten Blick: Beim GT3 RS dreht sich alles um Aerodynamik und Anpressdruck. Am deutlichsten macht das der monströse Heckflügel, der erstmals in einem Strassen-Porsche das Dach überragt. Mit Schwanenhals-Aufhängung – beim Flügel ist der untere Teil wichtiger – und DRS («Drag Reduction System») ist er ein Technik-Highlight für sich. Das DRS verstellt den hinteren Teil des Flügels hydraulisch um bis zu 34 Grad, um entweder den Topspeed oder den Anpressdruck zu maximieren. Beim Bremsen dient er als zusätzlicher Luftwiderstand, was den Bremsweg aus 200 km/h um bis zu 2,5 Meter verringern soll.
Schon rein optisch könnte der Porsche 911 GT3 RS nicht näher am Rennwagen dran sein. Unter Strassenautos wird er höchstens noch getoppt vom McLaren Senna.
In Tateinheit mit dem Heckspoiler sitzen in der Frontschürze stufenlos verstellbare Flügelelemente, die ab 100 km/h und 95 % Gaspedalstellung aktiviert werden. Die zerklüfteten Radhäuser – hierfür mussten extra neue Türen angefertigt werden – reduzieren Staudruck und Abtrieb. Der verkleidete Unterboden weist weitere Luftleitelemente auf, und sogar das Fahrwerk wurde aerodynamisch optimiert. Teile davon sind tropfenförmig gestaltet, um den Anpressdruck zu erhöhen.
All das bringt 409 kg Abtrieb bei 200 km/h und 860 kg bei 285 km/h. Das ist doppelt so viel wie beim GT3 RS 991.2 und sogar dreimal so viel wie beim aktuellen GT3.
2. Leichtbau
Die 992er Generation des Porsche 911 hat an Gewicht und Grösse zugelegt. Um die Gewichtszunahme in Grenzen zu halten, hat Porsche sich allerlei einfallen lassen. Vordere und hintere Haube, Türen, Dach und Schalensitze sind aus Carbon, die Heckscheibe aus Kunststoff. Rücksitze und ein Grossteil des Dämmmaterials flogen raus. Als einziger aktueller 911 setzt der GT3 RS sogar auf die alten Bügeltürgriffe statt der neuen, aber schwereren elektronischen Taster.
Schlaufen anstelle von Türgriffe innen und Aufkleber statt Metall-Markenlogos gehen als Gags durch, sind aber Porsche-Tradition und machen den Leichtbau sichtbar. Apropos: Wer das über 40'000 Franken teure Weissach-Paket bestellt, bekommt zahlreiche Teile in Sicht-Carbon, einen Carbon-Überrollbügel, Magnesium-Schaltwippen und andere Leckereien. Gegen Aufpreis sind auch noch die Felgen aus Magnesium. Ein «Basis»-GT3 RS bringt 1450 kg (DIN) auf die Waage und damit 30 kg mehr als sein Vorgänger.
3. Fahrwerk
Im Testwagen waren Michelin Pilot Sport Cup 2 auf Alu-Schmiedefelgen gezogen. Im Weissach-Paket gäbe es noch Semislicks auf Magnesium.
Neben aerodynamischem hat Porsche natürlich auch technischen Feinschliff am Fahrwerk betrieben. Doppelquerlenker und eine 29 mm breitere Spur vorne sowie Mehrlenkerachse mit angepassten Federraten hinten sprechen eine deutliche Sprache. Gegen Aufpreis gibt es Michelin Pilot Sport Cup2 R, die mehr einem Vollslick als einem Strassenreifen gleichen.
4. Antrieb
Gottlob kann sich der GT3 RS noch der Turboaufladung erwehren. Sein Vierliter-Saugboxer bekam eine andere Luftzufuhr und andere Nockenwellen. So bringt er es auf 525 PS statt deren 510 im GT3. Geschaltet wird immer via Siebengang-PDK mit kürzerer Übersetzung. So sind Beschleunigungswerte von 3,2 s von 0 auf 100 km/h, beziehungsweise 10,6 s von 0 auf 200 km/h drin. Mit 296 km/h ist er in Sachen Topspeed der langsamste aller GT3 RS. Egal, hier kommt es auf Rundenzeiten an! Vom Aggregat bekommt übrigens nur die Werkstattetwas zu sehen, Besitzer haben lediglich Zugriff zu Öl- und Wassereinfüllstutzen via zwei Service-Klappen.
Unter der Fronthaube ist statt eines Kofferraums nun ein Mittenkühler aus den RSR- und GT3-R-Rennwagen verbaut. Die heisse Luft wird durch die Haube ab- und von zwei Finnen auf dem Dach am Auto vorbeigeleitet, damit sie nicht vom Motor im Heck angesaugt wird. Das hätte laut Porsche rund 20 PS Leistungsverlust zur Folge. Ist das Fenster während der Fahrt offen, spürt man die warme Luft tatsächlich am Auto vorbeiziehen.
5. Verstellmöglichkeiten am Lenkrad
Ganz so hardcore geht es im Cockpit dann doch nicht zu. Klimaanlage und Infotainment-System hat der GT3 RS noch immer.
Das Volant des GT3 RS gleicht tatsächlich einem GT-Rennwagen und bietet gleich fünf Verstellmöglichkeiten. Erstens das angesprochene DRS für den Heckflügel. Via PASM (Porsche Active Suspension Management) lassen sich die Dämpfer separat in Zug- und Druckstufe verstellen. PTV+ regelt die Drehmomentverteilung zwischen den Hinterrädern, ESC/TC die Regelgüte von Stabilitäts- und Traktionskontrolle. Zu guter Letzt lassen sich natürlich noch die Fahrmodi verstellen. Zudem können praktisch alle Fahrzeugparameter überwacht werden, etwa die einzelnen Reifentemperaturen. Überfordert? Wir auch.
6. Alltag
Fahren tut sich das Ganze so extrem, wie es sich liest. Bei langsamer Fahrt bockt der RS, dass es eine Freude ist. Die Reifen schubbern beim Einlenken, das Getriebe singt und schaltet unwirsch, Steinchen prasseln in die Radhäuser, von hinten tackert laut der Ventiltrieb, das Fahrwerk ist bretthart und man muss höllisch aufpassen, dass man nirgends aufsetzt oder aneckt. Man könnte genauso gut im Rennwagen umherfahren, womit die Passanten den GT3 RS wohl auch verwechseln. Blicke, gezückte Smartphones, gereckte Daumen, Fingerzeige, Zurufe und staunende Gesichter überall. Auf dem Parkplatz und an der Tankstelle wird man direkt ins Gespräch verwickelt. So viele und positive Reaktionen haben wir bei einem Auto noch selten erlebt.
Tanken fühlt sich im GT3 RS wie ein Pitstop an. Dass sich währenddessen so wie hier keine Menschentraume um das Auto schaart, kommt praktisch nie vor.
Aber wehe, wenn man das Gerät auch nur kurz von der Leine lässt. Die Lenkung scheint telepathische Fähigkeiten zu haben, Getriebe und Motir reagieren schon auf den kleinsten Gasbefehl. Die möglichen Kurvengescheindigkeiten sind absurd, vor Biegungen muss man eigentlich gar nicht mehr abbremsen. Auf öffentlichen Strassen ist dieses Teil vollkommen drüber, aber auch enorm spassig.
Zwei Tipps, falls Sie mal einen GT3 RS fahren können. Erstens: Unbedingt auf die Rennstrecke oder mindestens die deutsche Autobahn. Gefühl und Sound, wenn der Boxer ungehindert bis 9000 U/min drischt, das Getriebe die Gänge durchprügelt und der GT3 RS einem dabei in die Ohren schreit, sind schlicht unbeschreiblich. Zweitens: bei leerer Strasse durch einen entlegenen Tunnel fahren. Wenn die Wände dieses auspuffbellen beim Runterschalten zurückwerfen und beim Hochdrehen der ganze Tunnel zu brennen scheint, dann ist das so etwas wie vollkommenes Glück. Aber bitte immer im Rahmen des Erlaubten bleiben.
Technische Daten Porsche 911 GT3 RS
- Motor: Sechszylinder-Boxer
- Hubraum: 3996 ccm
- Leistung: 386 kW (525 PS) bei 8500 U/min
- Drehmoment: 465 Nm bei 6300 U/min
- Antrieb: Hinterrad
- Getriebe: Siebengang-Doppelkupplung
- Leergewicht: 1450 kg (DIN)
- 0-100 km/h: 3,2 s
- 0-200 km/h: 10,6 s
- Vmax: 296 km/h
- Verbrauch: 13,4 l/100 km (WLTP)
- Preis: ab 300'200 Franken
- Testwagenpreis: 311'630 Franken
Text und Bilder: Moritz Doka