Klassiker

Porsche 956 und 962 - die Dominanten

Zwischen 1982 und 1992 wurde die Sportwagen-Weltmeisterschaft gemäss Reglement als Gruppe C ausgetragen. Porsche dominierte mit den Modellen 956 und 962 - wir konnten zwei dieser Fahrzeuge genauer betrachten.

Veröffentlicht am 01.05.2022

Ein neues Reglement ist für die Renn-Teams immer ein grosses Wagnis. Vor dem ersten Rennen weiss niemand so recht, was die Entwicklungsarbeiten im Vorfeld wirklich wert waren. Als die FIA ab 1982 das Gruppe-C-Reglement einführte, war man bei Porsche allerdings nicht sonderlich nervös - wie schon in früheren Jahren hatten die Stuttgarter ein paar wichtige Worte bei der Ausgestaltung der neuen Regeln mitgesprochen. Aber es sind selbstverständlich böse Zunge, die behaupten, dass die Gruppe C als Nachfolge-Rennserie für die Gruppe 5 (mit Dach) und Gruppe 6 (offen) auf Porsche massgeschneidert wurde.

Eine Verbrauchsformel

In früheren Jahren waren die Rennsport-Klassen zumeist nach Hubraum eingeteilt worden. Die Gruppe C war aber in erster Linie eine Verbrauchsformel: Die Fahrzeuge durften, ohne Hubraumbeschränkung, maximal 800 Kilo schwer sein. Und mussten über einen maximal 100 Liter grossen Tank verfügen. Bei einem 1000-Kilometer-Rennen waren fünf Tankstopps erlaubt, was umgerechnet einem Verbrauch von 60 Litern/100 km entsprach.

Das galt für alle Meisterschaften, ausser für die amerikanischen IMSA-Serie. Doch für die Teams war die Gruppe C sehr interessant, denn es konnten die gleichen Fahrzeuge sowohl bei den 24 Stunden in Le Mans (und überhaupt der Langstrecken-Weltmeisterschaft) als auch diversen nationalen Serien (wie etwa der Deutschen Rennsport-Meisterschaft) eingesetzt werden. Von Beginn an dabei waren Ford, Porsche und Lancia, später kamen noch Jaguar, Nissan, Toyota, Mazda, Aston Martin und Mercedes (immer zusammen mit Sauber) dazu; Alfa Romeo hatte 1992 endlich auch ein Fahrzeug bereit, doch da hatte die FIA das Ende der Gruppe C bereits verkündet.

Umbau in nur zwei Stunden

Eigentlich war der Porsche 956 ein relativ konservativ konstruiertes Fahrzeug. Anfang der 80er Jahre hatte in der Formel 1 bereits kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) Einzug gehalten, Porsche hatte über seinen Partner McLaren damals auch bereits Zugang zu diesem neuen, leichteren, stabileren Material. Trotzdem entschied sich der damalige Chef-Ingenieur Norbert Singer, für die neue Gruppe C ein aus Aluminium konstruiertes Monocoque in Schalenbauweise zu verwenden. Das sich später als einer der wenigen Schwachpunkte der Porsche 956/962 erweisen sollte.

Doch Singer hatte ein klares Ziel: er wollte vom neuen Rennwagen eine Kurz- und Langheck-Version, die sich mit relativ geringem Aufwand umbauen liess. Und er schaffte das, der Umbau dauerte jeweils nur noch zwei Stunden - beim 917 hatte es noch zwei komplett unterschiedliche Fahrzeuge gebraucht.

Um das auch gleich noch zu erklären: die Porsche 956 und 962 sind eigentlich die genau gleichen Fahrzeuge. Der 956 kam, klar, zuerst, 1982, der 962 verfügte dann über einige Veränderungen, die vor allem dem amerikanischen IMSA-Reglement geschuldet waren, etwa einen Überrollkäfig aus Stahl sowie hinter der Vorderachse angebrachte Pedale. Obwohl die meisten Piloten den 956 bevorzugten, wurden davon nur 27 Exemplare gebaut, vom 962 aber stolze 90 Stück.

Ein oder zwei Turbo

Ein grosser Unterschied zwischen dem 956 und dem 962 bestand auch bei der Motorisierung. Doch dafür müssen wir zuerst ein wenig zurückblicken. Ende der 70er Jahre leistete der luftgekühlte 3,2-Liter-Sechszylinder im Porsche 935 mit Vierventiltechnik und doppelter Aufladung über 700 PS. Als in den USA die Reglemente wieder einmal geändert wurden, baute Porsche eine 2,65-Liter-Version, die mit Methanol betrieben werden konnte. Für die Gruppe C wurde diese Maschine wieder auf Benzin ausgelegt, der Hubraum wurde beibehalten, die Leistung lag zu Beginn bei etwa 620 PS. Erstmals verwendet wurde dieser Motor 1981 in Le Mans, dort in zwei Porsche 936 eingebaut. Ickx/Bell fuhren einen souveränen Sieg ein.

Der 962 verfügte im Gegensatz zum 956 nur über einen, aber dafür viel grösseren Turbo. Und war deshalb, etwa gemäss Aussagen von Mario Andretti, viel weniger angenehm zu fahren als der 956. Doch weil sich die Reglemente über die Jahre ständig änderten, wurde vor allem diese Version auch ständig weiter entwickelt, der Hubraum stieg zuerst auf 2,8, dann auf 3,3 Liter, Wasserkühlung wurde erlaubt. Extrem ausgereizt wurden diese Maschinen nie, sie mussten ja in erster Linie zuverlässig sein (und relativ verbrauchsgünstig). Geschaltet wurde immer über ein konventionelles 5-Gang-Getriebe.

Mit reichlich Unterdruck

Den grössten Vorteil hatten die Porsche 956/962 mit ihrer Aerodynamik. In der Formel 1 war der «ground effect» längst bekannt, bei den Sportwagen ging Porsche diesen Weg aber viel konsequenter als die Konkurrenten. Die Plastik-Karosse, der Unterboden, der Diffusor und natürlich der Heckflügel wurden so ausgestaltet, dass ein massiver Unterdruck entstand, das Fahrzeug sich quasi an den Asphalt saugte. Dadurch wurde zwar die Höchstgeschwindigkeit leicht eingeschränkt («nur noch» 350 km/h auf der Mulsanne-Geraden in Le Mans), die Kurvengeschwindigkeiten waren dagegen phänomenal. Vern Schuppan, dreimaliger Sieger auf Porsche 956/962 in Le Mans: «Je schneller man fuhr, je härter man pushte, desto mehr Grip baute das Fahrzeug auf». Für die Fahrer war das aber harte Arbeit: keine Servo-Unterstützung für Lenkung und Bremse.

Der erste 956 (956-001) wurde im März 1982 in Weissach vorgestellt, am Steuer sass Jürgen Barth. Mitte Mai war dann für eben dieses Fahrzeug auch das erste Rennen, die sechs Stunden von Silverstone, am Steuer wieder Ickx/Bell. Der Belgier setzte eine souveräne Trainingsbestzeit, im Rennen musste sich das Team dann aber von einem Lancia LC1 bezwingen lassen. Aber nur, weil die Gruppe-6-Fahrzeuge im Gegensatz zu den Gruppe-C-Rennern keinerlei Verbrauchsbeschränkungen unterlagen.

Der erste Sieg

In Le Mans, einen Monat später, sah es dann schon ganz anders aus (auch, weil die Lancia nicht mehr startberechtigt waren). Porsche trat mit drei Fahrzeugen an, 956-002, 956-003 und 956-004, Ickx/Bell auf 956-002 waren die klaren Favoriten. Ickx fuhr locker auf die Pole-Position, im Rennen gab es ein paar kleinere Probleme, doch am Schluss waren alle drei Porsche vorne, konnten die letzte halbe Stunde sogar im Formationsflug absolvieren. Nach dem Rennen wurde das Siegerfahrzeug direkt ins Museum gefahren - und erst kürzlich für das 79. Goodwood Member Meeting wieder hervorgeholt (von dort stammen auch diese Bilder, #1 - mehr Bilder gibt es auf www.radical-mag.com).

Ickx gewann in diesem Jahr noch drei weitere Rennen, Spa mit Jochen Mass, Fuji ebenfalls mit Mass, Brands Hatch dann wieder mit Bell. Der Belgier wurde souverän Weltmeister - und Porsche konnte sich selbstverständlich einen weiteren Konstrukteurstitel auf ihr Palmares schreiben. 1983 genau das gleiche Bild, Ickx bei den Fahrern, Porsche bei den Marken. 1984: wieder Porsche. Aber bei Fahrern lag Stefan Bellof vorne. Bellof fuhr am 28. Mai 1983 zudem mit einer Zeit von 6:11,13 auf einem Porsche 956 eine Rekordzeit auf der Nordschleife des Nürburgrings, die 35 Jahre Bestand haben sollte.

Ganz viele Siege

Wenn wir noch ein bisschen in Le Mans verweilen wollen: 1983 belegten die Porsche 956 gleich die ersten acht Plätze (Sieger: Schuppan/Haywood/Holbert). 1984 schafften die Porsche «nur» die ersten sieben Plätze (Sieger: Pescarolo/Ludwig). Ein Jahr später wurde es noch «schlechter»: Auf den Plätzen 1, 2, 4, 5 und 8 standen die 956 (Sieger: Ludwig/Barilla/Krages), auf 3, 9 und 10 die 962. 1986 kamen die 962 auf die Plätze 1, 2 und 10 (Sieger: Bell/Stuck/Holbert), die 956 noch auf 3, 4, 5 und 9. Es wird langweilig? 1987 gewinnen wieder Bell/Stuck/Holbert auf 962 (#962-006, das zweite Fahrzeug, das wir hier zeigen, #17), Zweiter und Vierter werden die Porsche auch noch. Insgesamt schafften die Porsche 962 54 Siege bei Weltmeisterschaft-Läufen, zuletzt als offener Kremer K8 Spyder 1995 (!) bei den 24 Stunden von Daytona.

In der aktuellen Ausgabe der «auto-illustrierte» gibt es übrigens einen schönen Schwerpunkt zu Porsche. Auch aussergewöhnlichen mit klassischen Fahrzeugen.

Text: Peter Ruch
Photos: Porsche

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