Fehler im System?
Harry wurde im Kanton Uri geblitzt, obwohl er gefühlt nicht zu schnell fuhr. Der Zufall wollte es, dass er auf einen Bericht in den Medien stiess. Darin hiess es, dass der deutsche Hersteller Leivtec vom Einsatz der Radargeräte des Typs XV3 für «amtliche Messungen» abrät. Solche Fälle rufen unweigerlich Robin Road auf den Plan.
Gemäss «Saldo» (Ausgabe 9/2021) werden diese Geräte des Typs Leivtec XV3 in den Kantonen Schwyz, Uri, Basel-Landschaft sowie einigen Gemeinden im Aargau und im Kanton Zürich eingesetzt. Aber wie findet man heraus, ob ein Radargerät fehlerhaft ist? Ohne Erfahrung oder Hilfe wird dies eine echte Herausforderung. Auf welchem Amt müssen Sie welche Dokumente verlangen und worauf müssen Sie achten?
Akteneinsicht kann helfen
Wer herausfinden will, welches Radar- oder Lasermessgerät bei seinem «Blitzer» zum Einsatz gekommen ist, muss bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft nachfragen. Je nach Kanton bekommt man die Akten zugestellt oder muss nach Voranmeldung auf dem Amt vorbeigehen, die Akte selbst vor Ort kopieren und die meist recht teure Kopie bezahlen. Auch wenn es nach Eigenwerbung klingt: Der Vorteil einer Anwältin oder eines Anwalts ist, dass diese die Akten per Post bekommen und nicht auf dem Amt vorbeigehen müssen. Der Arbeitsaufwand des Anwalts oder der Anwältin für die Akteneinsicht ist dabei meist bescheiden.
Welche Akten sollte man verlangen? Das Eichzertifikat des Radargeräts, den Schulungsnachweis der Polizeibeamtin oder des Polizeibeamten, den Fallausdruck sowie das Messprotokoll. Mit diesen Dokumenten kommt man schon relativ weit, um die gröbsten Fehler aufdecken zu können: abgelaufenes Eichzertifikat, fehlende Schulung der Polizeibeamtin oder des Polizeibeamten, falsches Auto auf dem Messprotokoll, Reflexionen auf dem Foto oder Ähnliches.
Wer meint, dass jeder Fehler der Polizei gleich zur Ungültigkeit der Messung führt, irrt. Es braucht schon erhebliche Fehler, damit eine Messung ungültig ist. Gewisse Fehler dürfen der Polizei passieren, ohne dass die Messung ungültig wird. Das ist zwar stossend, wird aber toleriert. So muss beispielsweise nur bei der Reparatur oder dem Ersatz von messrelevanten Teilen am Radargerät eine neue Eichung durchgeführt werden. Immerhin kann die strittige Geschwindigkeitsmessung durch eine Fachstelle nachgeprüft werden, was aber ins Geld geht. Wir reden hier meist von mehreren Tausend Franken.
Institut überprüft sich selbst
Doch wer eicht die Radargeräte und wer prüft die Geschwindigkeitsmessung nach? Das ist das METAS, das Eidgenössische Institut für Metrologie. Auf den ersten Blick mag es sinnvoll klingen, wenn die Eichung und die Nachprüfung durch die gleiche Behörde geschehen. Ist es aber nicht, denn faktisch prüft dadurch das METAS sich selbst. Rechtsstaatlich ist dies problematisch, da ein offensichtlicher Interessenkonflikt vorliegt. Es liegt keine Unabhängigkeit des METAS vor, weil es ja sein eigenes Arbeitsresultat überprüft. Und wer nach einer privaten Institution sucht, die eine Nachprüfung vornimmt, hat es schwer. Robin Road ist keine solche bekannt. Liegt hier eine Marktlücke brach?
Auf das Radargerät von Leivtec angefragt wartet das METAS gemäss Saldo noch, bis die deutschen Behörden weitere Testergebnisse weitergeben. Bis dahin bestehen wohl gute Chancen für Harry, die Geschwindigkeitsübertretung anzufechten. Es ist daher für die Strassen-, aber auch die Rechtssicherheit begrüssenswert, dass zum Beispiel die Gemeinde Uitikon ZH gemäss Saldo diese Geräte nicht mehr einsetzt. Aber währenddessen gehen die Kantone Schwyz und Uri weiterhin auf Tempojagd – und das mit mutmasslich fehlerhaften Geräten.
Robin Road wünscht Ihnen trotzdem gute Fahrt!
Text: Robin Road
Fotos: Vesa Eskola
Robin Road hilft
Dr. Rainer Riek — alias Robin Road — schreibt in jeder ai-Ausgabe oder auf unserer Homepage
www.auto-illustrierte.ch über strassenverkehrsrechtliche Themen sowie rund ums Auto im Recht. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Zudem postet er seine Autoquartette auf dem Auto-Blog von www.driving.legal.
Wenn Sie ein strassenverkehrsrechtliches Problem oder Fragen dazu haben, schreiben Sie Robin Road eine E-Mail: road@auto-illustrierte.ch
Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden. Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr.
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