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Der Familientransporter wird zur Rakete

Lastenvelos boomen – doch die hippen Transporter sind keine Spielzeuge. Unfälle zeigen: Wer Kind und Einkauf auf zwei Rädern spazieren fährt, sollte lieber vorher üben. Sonst kracht’s gewaltig.

Veröffentlicht am 24.06.2025

Jeder Chai-Latte-Vegane-Bratwurst-Bäume-umarmender-lange-Achselhaare-Hipster hat eines: das Cargovelo. Es ist der SUV der Besserverdienenden mit grünem Gewissen. Kind rein, Einkauf drauf, Helm schräg aufgesetzt – und los geht’s durch die urbane Wildnis. Doch Obacht: Wo viel Ladung ist, da lauert viel Risiko. Und wer meint, ein Lastenvelo fahre sich wie ein normales Velo – irrt gewaltig.
Unfallsimulationen der AXA, BFU und der Schaffhauser Polizei zeigen, was passiert, wenn’s mal kracht: Gurte reissen, Kinder fliegen, Eltern staunen. «Dadurch kann die dutzende Kilo schwere Ladung in andere Fahrzeuge und Verkehrsteilnehmende geschleudert werden, oder schlimmer: ungenügend gesicherte Kinder fliegen aus dem Lastenvelo», so AXA-Experte Luca Genovese. Im schlimmsten Fall landet Papa über der Lenkstange direkt auf dem Nachwuchs. Aua!

Besser erst mal üben

Ein Cargovelo ist kein Bobby-Car. Sondern eher ein rollender Bock mit Eigenleben und untypischer Gewichtsverteilung. Lastenräder sind, nun ja, Lastenträger. Mehr Gewicht = mehr Schwungmasse = mehr Bremsweg. Das ist Physik – leider mit ganz realen Konsequenzen. Wer 150 Kilo Kind-Einkauf-Möbel-Mix auf Tour bringt, braucht eben länger zum Stehenbleiben.
Und weil bei vielen Modellen die Bremskraft hauptsächlich auf das Hinterrad wirkt – wo sie deutlich weniger effizient ist – wird jeder Stopp zur kleinen Zitterpartie. Zur Erinnerung: Auch beim Auto erledigen die vorderen Bremsen den Grossteil der Verzögerung. Doch beim Lastenvelo sitzt vorn meist eine dickwandige Box, während die Hauptlast, trotz Magerquark-Ernährung, auf dem Fahrersattel thront. Ungünstige Gewichtsverteilung mit begrenzter Bremswirkung. Fazit: Bremsen ist beim Cargovelo keine Routine, sondern fast schon Hochleistungssport mit einem Anteil Glücksspiel.
Also schwer, sperrig und beim Verzögern so spontan wie ein Regionalzug im Winter. Deshalb: Üben, Leute! Auf dem Parkplatz, nicht im Feierabendverkehr. Sonst wird die erste Fahrt schnell zur Zitterpartie mit Schleudertrauma.
Und noch was: Kinder gehören nicht einfach mit einem Kopfnicken in die Box geworfen. Sitz, Gurt, Helm – alles sitzt, alles passt? Erst dann sollte es losgehen. Ansonsten lieber nochmal beim Fachhändler vorbeischauen und sich mit Schutzausrüstung eindecken. Lieber jetzt beim Profi nachfragen – als später beim Notarzt landen.

Cargovelo-Regeln für Anfänger und Kita-Kurierfahrer

  • Anschnallen – und zwar richtig. Nicht Pi mal Daumen.
  • Abstand ist Anstand. Zu Autos, Menschen, Bordsteinen – und der eigenen Selbstüberschätzung.
  • Wenn das Bremsen sich anfühlt wie ein Elefant auf Glatteis: Dann langsamer fahren.
  • Helm tragen. Auch wenn’s die Frisur ruiniert.
  • Blinkblink statt Tarnmodus. Sichtbarkeit ist Überleben.
  • ABS am E-Lasti? Luxus mit Sicherheitsbonus.

Neu: Cargovelo XXL bald ganz legal

Ab Juli dürfen Cargo-E-Bikes bis 450 Kilo offiziell auf die Strasse – mit Mofa-Ausweis. Wer jünger ist, braucht nur einen Helm und Mut (und den Segen des ASTRA, das die neuen Regeln fein säuberlich in Tabellenform aufgelistet hat).
Cargovelos sind (jetzt nicht meine, aber) eine tolle Sache – solange man weiss, was man tut. Wer sie richtig nutzt, transportiert nicht nur sein Kind, sondern auch ein gutes Gewissen. Wer’s falsch macht, transportiert Chaos. Und landet als YouTube-Clip mit dem Titel „Lastenvelo-Fail mit Ansage“ oder schlimmer: Im Krankenhaus.

 

 

Text: GAT
Bilder: AXA

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