

Die Herren: Es ist wieder Schulanfang...
Früher war der erste Schultag der Endgegner jedes Sommers. Heute ist er’s wieder – aber nicht wegen Mathe. Sondern wegen dem ganz realen Abenteuer: dem Schulweg.
Als Kind war der erste Schultag nach den Sommerferien für mich der Super-GAU. Nicht wegen der Schule – die war okay. Aber weil das Freibad plötzlich tabu war, drei Glace nicht mehr als Mittagessen durchging und das frühe Aufstehen wie ein Angriff auf meine Persönlichkeitsrechte wirkte.
Heute, Jahrzehnte später, ist der erste Schultag wieder ein Nervenkitzel. Nicht für mich. Doch auch irgendwie. In allererster Linie aber für meine Kinder. Und ehrlich: Ich habe heute mehr Bammel als früher – nicht wegen Mathe oder der Sitznachbarin, sondern wegen der Strasse.
Oft denkt man erst darüber nach, wenn man selbst in der Situation ist: Sicherheit auf dem Schulweg. Für viele Kinder ist das der erste Schritt in die Selbstständigkeit – und gleichzeitig das erste Verkehrstraining unter Realbedingungen.
Und ganz ehrlich: Die Strasse ist kein Ponyhof. Zwischen übergrossen SUVs mit oft überforderten Piloten, rückwärts ausparkenden Lieferwagen und gestressten Eltern im Halteverbot sollen sich kleine Menschen orientieren, reagieren – und brav an Regeln halten. Klar.
Deshalb ist Vorbereitung keine Option, sondern Pflicht. Wer sein Kind liebt, geht die Schulweg-Strecke in der Woche vor dem Start gemeinsam ab. Immer dieselbe Route – das gibt Sicherheit. Und bitte nicht die kürzeste, sondern die mit den wenigsten Risiken. Ampeln sind Trumpf, Zebrastreifen auch. Ein paar Meter Umweg? Geschenkt.
Führen – und dann mal folgen
Der Trick dabei: Nicht nur führen, sondern auch mal folgen. Kinder sehen die Welt anders. Weniger weit, oft überraschend logisch – aber nicht immer verkehrstauglich. Wenn sie einen führen, zeigen sie, wie sie denken. Und genau das will man ja wissen, bevor man sie alleine losziehen lässt.
„Luege, Brämse, Halte“ sagt der TCS in seiner aktuellen Kampagne. „Schauen, bremsen, stehenbleiben“ würde man im grossen Kanton sagen. Das richtet sich an Autofahrende, gilt aber genauso für uns Eltern: hinschauen, Tempo rausnehmen, anhalten – auch bei den eigenen Erwartungen. Kinder schaffen das nicht „irgendwie“. Sie schaffen es, wenn wir ihnen Zeit geben, sie stärken, trainieren – und dann auch mal loslassen. Im richtigen Moment.
Zum Loslassen gehört auch: das Loslassen vom Auto. Klar, wir alle lieben unsere vierräderigen Familienmitglieder und es ist bequem, die Kleinen morgens kurz vor der Schule rauszulassen. Aber vor Schul- und Kitatüren geht es oft hektischer zu als am ZRH-Gate am Montagmorgen. Chaos, Hektik, Ellenbogen – und gefährlich.
Besser: ein Stück laufen. Oder gleich den ganzen Weg komplett. Bewegung stärkt Körper, Geist – und Selbstbewusstsein (und das Auto bekommt nicht so viel Kurzstrecke ab… jaja, bleibt jetzt still, ihr Steckerautos).
Und falls das eigene Kind doch mal den Bus verpasst oder sich verläuft? Mamma mia, kein Weltuntergang. Wenn vorher besprochen wurde, was dann zu tun ist – Notfallkarte im Ranzen, Telefonnummer parat, Vertrauensperson benannt – dann ist auch das eine wertvolle Lernerfahrung: mit kleinen Pannen souverän umgehen.
Kleine Ideen mit grosser Wirkung
Wer’s noch schöner und sicherer machen will, schliesst sich einem „Laufbus“ an – also einer Gehgemeinschaft von Kindern mit Begleitperson. Das ist sicherer, macht mehr Spass und stärkt den Gemeinschaftssinn. Und vielleicht erinnert sich das Kind später gar nicht an Matheaufgaben oder das vegane Pausenbrot – sondern an diesen wilden, lustigen Haufen, der jeden Morgen gemeinsam zum Klassenzimmer marschierte.
Der TCS verteilt in diesem Jahr ein Duftmaskottchen fürs Auto – gebastelt von Kindern, versehen mit ätherischem Öl. Ob’s hilft? Vielleicht. Aber wer beim Einsteigen daran erinnert wird, dass da draussen kleine Menschen unterwegs sind – dem hilft’s auf jeden Fall.
Denn auch wir Grossen brauchen manchmal eine Erinnerung: Da draussen gibt’s Kinder. Kleine, bunte, irrationale Wesen mit Schultasche, Hoffnungen und jeder Menge Flausen im Kopf. Und sie haben ein Recht darauf, sicher anzukommen.
Text: GAT
Bilder: TCS, Dekra