Porsche Legends Alive – Boxster Special
Vom belächelten Roadster zur Legende: Der Boxster brachte Porsche zurück auf Erfolgskurs. Bei "Porsche Legends Alive" bewertet eine Jury die kreativen Umbauten des kultigen Retters. Angetreten sind Porsche-Zentren aus der ganzen Schweiz.
Früher war alles besser. Nein, war es nicht. In einer Zeit, als es noch kein Facebook oder Twitter gab, musste man in die nächste Kneipe gehen, um unzufriedene Menschen zu sehen. Sie waren lautstark gegen alles, insbesondere gegen den Boxster. So, als wäre alles ausser einem luftgekühlten Boxer-Sechszylinder ein Werk des Teufels. Dabei war der Boxster für Porsche eher ein Geschenk Gottes.
Die Legende
Porsche stand Mitte der 1990er Jahren auf wackeligen Beinen. Die Modelle waren in die Jahre gekommen. Der 928 war zwar mal «Auto des Jahres», doch das lag bereits 18 Jahre zurück. Der 968 war ein Ladenhüter und der luftgekühlte 911 diente sich langsam aus. Dann betrat anfangs ein gewisser Herr Wendelin Wiedeking die Bühne. Schon am ersten Tag liess er den Porsche 928 und Porsche 968 in den Alteisencontainer werfen. Der feine Herr war sich auch nicht zu fein, um sich im fernen Japan bei Toyota umzusehen, um dort die Kunst des sparsamen Autobauens zu erforschen. Im Anschluss wurde der Boxster geboren, ein Roadster auf 911-Basis für geringes Geld. Der Boxster teilte sich viele Komponenten mit dem ein Jahr später erscheinenden 996-Elfer, wofür Porsche anfänglich viel Kritik einstecken musste.
Porsche-Scheinwerfer sind rund
Das „Spiegelei-Design“ des Boxster stiess bei Puristen nicht gerade auf Begeisterung. Blinker und Scheinwerfer wurden aus Kostengründen zu formlosen Klumpen zusammengelegt. Auch die Motorleistung wurde kritisiert, da ein «richtiger Porsche doch mehr bieten müsse». Dem breiten Publikum war’s egal – der Erfolg des Boxsters nahm seinen Lauf. Stärkere Motoren brachten später auch noch die letzten Kritiker zum Schweigen. Spätestens mit der Einführung des Porsche Cayenne wurde die Frage, was ein echter Porsche sei, obsolet.
Legenden sterben nie
Mit dem “Porsche Legends Alive Wettbewerb” erinnert sich Porsche zum zweiten Mal an seine Wurzeln. Dieser Contest wird jährlich von der Porsche Schweiz AG ausgerichtet und ruft die fünf Schweizer Porsche-Handels- und Servicebetriebe auf, den kreativsten Umbau eines Porsche Boxster der ersten Generation (986) zu realisieren.
PZ Basel
Der Porsche «Surfster» des Porsche Zentrum Basel, realisiert von Projektleiter Rico Alpiger, verbindet Hawaii-Vibes mit sportlicher Attitude. Besonders auffällig sind die Palmen-Folierung und das Surfer-Logo, die den Beach-Vibe betonen. Technisch wurden ein KW-Fahrwerk sowie eine angepasste Rad-/Reifenkombination gewählt, die für ruhige Strassenlage und guten Grip sorgen. Ein Gepäckträger für das Surfbrett ergänzt standesgemäss den Look. Der Innenraum blieb grösstenteils unverändert, was etwas enttäuscht, da das Sommergefühl hier hätte verstärkt werden können.
Fazit: Ein gelungener Umbau mit tollem Fahrwerk, aber das Interieur hätte mehr Beach-Flair vertragen.
PZ Genf
Das Porsche Zentrum Genf fuhr mit einem Porsche Heritage Roadster vor. Dieser ist inspiriert vom legendären 550 Spyder und beeindruckt mit einer Folierung, die an den Panamericana-Rennwagen erinnert. Geänderte Rad-/Reifenkombinationen und ein an einen Speedster erinnerndes Hardtop gibt es ebenfalls. Der von den Projektleitenden Joao Mendes und Pauline Delemontez gestaltete Boxster besticht weiter durch einen stilvollen Innenraum mit Schalensitzen im Pepita-Muster, die exzellenten Seitenhalt bieten, während das Porsche Classic Communication System Plus für moderne Technik sorgt. Auf der Strasse begeistert der kernige Sound des Sportauspuffs; das Fahrverhalten ist eher solide-neutral.
Fazit: Eine Mischung aus Retro-Charme und modernen Features, die jedoch eine etwas bessere Fahrdynamik hätte vertragen können.
PZ Locarno
Porsche und Barbie? Eine Kombination, die überraschend gut funktioniert. Nicht nur früher, sondern auch heute. Die bekannteste aller Blondinen brachte ja kürzlich das Publikum vor der Kinoleinwand zum Lächeln – und Projektleiter Claudio Silvanti vom Porsche Zentrum Locarno auf kreative Ideen. Das Ergebnis: Ein Boxster in quietschrosa, mit Surfbrettern und einem Anhänger samt Jetski, der für Aufsehen sorgt.
Wegen den auffälligen Neonfarben geht fast unter, dass Türen und Kofferraumdeckel durch Carbon-Teile ersetzt wurden. Im Innenraum verbinden Schalensitze und Racing-Gurte den Fahrer förmlich mit dem Fahrzeug. Um wetterbedingte Überraschungen zu vermeiden, wurden alle wasserempfindlichen Elemente wie Infotainment und Sitzpolster entfernt. Obwohl der Jetski Anhänger sportliches Fahren einschränkt, glänzt der Barbie-Porsche durch seine Optik und seinen Spassfaktor. Punkto Fahrdynamik verschenkt er mit dem Anhänger jedoch Punkte, obwohl die Voraussetzungen vielversprechend waren.
Fazit: Eine farbenfrohe, fröhliche Neuinterpretation, die zeigt, dass selbst Barbie ins Porsche-Universum passt. Sie selbst würde das Ergebnis sicher feiern.
PZ Lugano
Der Boxster vom Porsche Zentrum Lugano bekam noch vor Projektbeginn ein Spenderherz implantiert. Nach dem Einbau des Motors entschied man sich, das Fahrzeug optisch und technisch weiter für den Wettbewerb zu verfeinern. Da die Umbaumassnahmen erst eine Woche vor der Jury-Begutachtung starten konnten, legte man mehrere Nachtschichten ein und arbeitete parallel im und unter dem Fahrzeug.
Aussen wurden Teile eines 911 GT3 verwendet und das Fahrzeug wurde im unverwechselbaren Gulf-Look mit seinem hellblau-orangefarbenen Design gehalten. Auch im Inneren wurde die Farbkombination dezent fortgeführt und mit neuen Sportsitzen versehen. Die Tieferlegung soll die sportliche DNA des Fahrzeugs nochmals unterstreichen.
Fazit: Trotz der knappen Zeit ist der Umbau ein Erfolg. Der Gulf-Boxster vereint ikonisches Design mit verbesserter Performance. Mit etwas mehr Zeit hätte man vielleicht sogar noch mehr rausholen können.
PZ Winterthur
Das Motto der Projektleiter Sandro Ringer und Luca Keller lässt sich treffend mit tief, breit und türkis beschreiben. Die Vorjahressieger vom Porsche Zentrum Winterthur bewiesen erneut ihr Gespür für technische Verbesserungen und Liebe zum Detail. Die Folierung im Miami-Vice-Stil mit angepassten Akzenten im Innenraum unterstreicht das Design. Technisch wurde der Boxster mit einem Gewindefahrwerk, einem Einmassenschwungrad, einer Sportkupplung sowie einer Schaltwegverkürzung und Stahlflex-Bremsleitungen optimiert. Die verbesserte Fahrwerksgeometrie und hochwertige Semislicks sorgen für perfekten Grip, selbst auf nasser Strasse. Auch bei starker Belastung bleibt dieser Boxster lange ultra neutral und bietet so puren Fahrgenuss.
Fazit: Der Fahrspass steht im Mittelpunkt und die detailreiche Gestaltung der Aussenhaut rundet das Fahrerlebnis ab.
Wer hat gewonnen?
Als Jurymitglied fiel es uns äusserst schwer, die Designkonzepte dieser liebevoll gestalteten Boxster miteinander zu vergleichen. Jeder Ansatz war auf seine Weise einzigartig, jede Umsetzung eine Kunst auf vier Rädern. Am Ende erzielten Winterthur und Locarno auf ganz unterschiedlichen Wegen die gleiche Punktzahl und teilten sich den Siegertitel.
Der grösste Sieger bei diesem Contest ist aber der Boxster der ersten Generation selbst. Auch wir Autojournalisten neigen manchmal dazu, ihn zu unterschätzen. Dabei ist er trotz aller Unkenrufe ein waschechter Porsche, der für ziemlich wenig Geld ziemlich viel Fahrspass bietet. Gebrauchte sind günstig zu haben, viele sind im Lauf der Zeit durch unsachgemässe Betreuung leider runtergerockt worden. Aber sie hätten es verdient, wieder eine liebevolle und kompetente Zuwendung zu erhalten – so wie es sich für einen Porsche gehört.
Text: GAT
Bilder: Porsche