Ford Ranger Raptor - Achtung Tiefflieger
Ganz traditionell mit Leiterrahmen-Chassis, dickem V6, aber ohne Elektro-Feigenblatt präsentiert Ford den neuen Ranger Raptor. Seine Top-Technik macht das Top-Modell der Ranger-Reihe zum Top-Offroader! Wer nur einen Pick-up braucht, ist mit dem Raptor definitiv «overdressed», wie unsere ausgiebige Probefahrt im Hinterland von Barcelona belegt. Und wir sind ihn nicht nur gefahren, sondern auch geflogen…
Beim neuen Ford Ranger Raptor, dem Spitzenmodell der neuen Ranger-Reihe, haben die Ford-Ingenieure und -Techniker ganz tief ins Technologieregal gegriffen und ihrem Neuling alles angedeihen lassen, was Offroad-Freaks begeistert. Denn was den Kollegen von Jeep der Rubicon-Trail, ist den Fordlern das Baja 1000. Das 1000-Meilen-Rennen in Mexiko gilt nebst der Dakar als eines der härtesten Wüstenrennen der Welt. Genau darum heissen die per Drehregler einstellbaren Fahrmodi bei der jüngsten Generation des Raptor «Normal», «Sport», «Slippery», «Rock Crawl», «Mud/Ruts/Sand» und – man ahnt es schon – «Baja». Auch der aktive Klappenauspuff kann Leise, Normal, Sport und natürlich Baja. Für Baja-Fahrmodus und Baja-Auspuff empfiehlt die Betriebsanleitung ein abgesperrtes Gelände ohne Nachbarn. Und das hat seinen Grund.
Toller V6-Biturbo
Der Raptor verfügt über einen neu entwickelten V6-Benziner mit drei Liter Hubraum, 292 PS und 491 Nm Drehmoment. Wir können uns auf einem dem Baja 1000 nachempfundenen Track austoben und sind von der Leistungsfähigkeit des Aggregats sehr begeistert. Die der extrem robusten Bauweise geschuldeten, fast 2,5 Tonnen Leergewicht werden zügig beschleunigt, was von einem betörenden Klang des Motors untermalt wird. Das Datenblatt nennt glaubhafte 7,9 Sekunden auf 100 km/h.
Im Baja-Modus wird dann noch das letzte Quäntchen Power über die Zehngang-Automatik auf allevier Räder verteilt, dass es eine Freude ist. In Kurven oder einer grossen Fläche mit losem Schotter lassen sich dank heckbetontem Antrieb saubere Drifts realisieren. Der Staub wirbelt nur so um einen herum. Da kann man schon mal die Orientierung verlieren. Das sollte man aber tunlichst nicht, denn Tempo 100 auf Feldwegen sind kein Problem – wenn man darf.
Im Flugmodus
Und dann geht es endlich in die Luft. Der Track ist mit einer Rampe versehen, die den Raptor bei rund 85 km/h einige Meter ohne Bodenkontakt durch die Luft fliegen lässt. Das Fahrwerk erkennt die «Flugphase» und spannt die Fox-Stossdämpfer für eine weiche Landung vor – beeindruckend! Nur Gas geben, lenken oder bremsen sollte man in der Luft nicht.
Die Rückkehr auf die Erde ist überraschend komfortabel und findet ohne den erwarteten Schlag oder harte Aufprallgeräusche statt. Man hat auch nicht das Gefühl, dass das Chassis unter solcher Behandlung leidet. Der Profi-Offroader weiss natürlich, dass er Dämpfer, Federn und Reifen regelmässig überprüfen muss, wenn er sein Fahrzeug hart rannimmt.
Rock ’n’ Roll
Die Elektronik regelt den Antrieb auch, wenn zwei gegenüberliegende Räder in der Luft sind oder sich der Untergrund bewegt. Dafür gibt es die Einstellung Rock Crawl. Auf- und Abstiege werden dank üppiger Böschungswinkel von 31 Grad (vorn) und 27 (hinten), Bergan- und Bergabfahrhilfen, Geländeuntersetzung sowie Differenzialsperren vorn und hinten locker erledigt.
27 Zentimeter Bodenfreiheit plus Unterfahrschutz und Schutz für die Auspuffrohre lassen den Offroader unbekümmert alle Hindernisse überwinden. Auch Furten bis 85 Zentimeter Wassertiefe sind kein Thema. Die Geländeeigenschaften sind wirklich beeindruckend und werden so wohl kaum je im Alltag abgerufen. Da kann sich der Überflieger definitiv mit Wrangler und Co. messen.
Toller Alleskönner
Umso erstaunlicher sind seine breit gefächerten Alltagseigenschaften. Wir haben die eben beschriebenen Geländeübungen mit exakt dem gleichen Exemplar vollführt, mit dem wir über die Autobahn angereist kamen. Auf dieser fährt der Raptor trotz Geländereifen erstaunlich ruhig und komfortabel. Die Lenkung ist zwar etwas indirekt, aber man gewöhnt sich dran. Die maximale Anhängelast liegt bei 2,5 Tonnen.
Das Platzangebot ist reichhaltig, auch wenn man im Fond des ausschliesslich viertürig lieferbaren Pick-ups etwas gar steil sitzt. Vorn gibt es einen grossen Bildschirm als Kombiinstrument und einen Riesen-Touchscreen auf der Mittelkonsole, der intuitiv bedienbar ist. Allerdings hat nur die Klimaanlage ein eigenes, analoges Bedienfeld. Es hätten vielleicht noch ein paar Schalter und Regler mehr sein dürfen.
Trotzdem ist das Interieur sehr wohnlich mit seinen sehr gut konturierten Sportsitzen, den hochwertigen Materialien und der tadellosen Verarbeitung. Vom martialischen Offroader, der unter dem Blech sitzt, keine Spur. Dass wir vom Ranger Raptor begeistert sind, können wir schlecht verheimlichen. Und wir freuen uns für VW-Fans, die demnächst den neuen Amarok auf gleicher technischer Basis feiern dürfen. Wer nur zwei Türen und weniger Offroad-Hichtech, dafür aber einen sparsamen Turbodiesel oder Vierzylinder-Benziner will, kommt ebenfalls auf seine Kosten, denn Ford legt eine umfangreiche Ranger-Modellpalette auf. Der Raptor bleibt aber der Chef des Clans.
Fazit
Der in Thailand produzierte Ford Ranger Raptor wird ab 68’719 Franken angeboten, was angesichts der extrem leistungsfähigen Allrad-Techik, dem kräftigen Motor, der umfangreichen Ausstattung und dem hohen Qualitätseindruck ein sehr fairer Deal ist. Zum vollendeten Glück fehlt aber meist das passende Gelände – ohne Nachbarn.
Technische Daten
V6-Biturbobenziner, 2956 cm³, 215 kW/292 PS, 491 Nm bei 2300/min, 10-Gang-Automat, Allrad, Norm 13,6 l/100 km, 310 g/km CO2, 0–100 km/h: 7,9 s, Spitze: 180 km/h, Bereifung 285/70 R17, L/B/H: 5360/2028/1926 mm, Böschungswinkel v./h. 31/27 Grad, Rampenwinkel 24 Grad, Bodenfreiheit 265 mm, Watttiefe 850 mm, Leergewicht: 2454 kg, Zuladung 652 kg, Anhängelast gebr./ungebr. 2500/750 kg, Ladefläche 1564 x 1224 mm. Preis ab 68’719 Franken
Text: Stefan Fritschi
Fotos: Ford